Gräben in der Kirchensynode

18. Mai 2018 – Die Teilrevision der Kirchenordnung fand am 15. Mai trotz scharfer Kritik von mehreren Seiten in der Schlussabstimmung eine klare Mehrheit. Zuvor fügten die Synodalen noch ein zentralistisches Element ein.

Die Kirchensynode behandelte am 15. Mai den Schlussteil der Teilrevision und befasste sich mit einer Handvoll Rückkommensanträgen. Die Schlussabstimmung unter Namensaufruf ergab 71 Ja und 23 Nein bei 6 Enthaltungen. Die Mehrheit der Nein-Stimmen kam aus der Evangelisch-kirchlichen Fraktion. Die Reformierten des Kantons werden am 23. September über die Vorlage abstimmen.

Simone Schädler (rechts) und Barbara Bussmann als 1. Vizepräsidentin auf dem Bock.

Kirchenrat will Vielfalt qualifiziert fördern

Das Kirchenparlament bestätigte zuvor einen Kernpunkt der Revision, die neue Pfarrstellenzuteilung, mit einer Präzisierung im umstrittenen Art. 117. Von den Rückkommensanträgen wurde allein jener von Bernhard Neyer kontrovers debattiert. Er forderte, dass der Kirchenrat Vorschriften erlassen kann für die Förderung der Vielfalt kirchlichen Lebens in den Gemeinden (Art. 155,3, vgl. Bericht). Die Synodalen hatten am 8. Mai Richtlinien, wie sie der Kirchenrat beantragte, noch abgelehnt.

Den Kirchgemeinden ist dabei aufgegeben, «insbesondere auf lebensweltliche Gesichtspunkte» zu achten. Ohne kirchenrätliche Vorschriften werde Förderung zufällig, argumentierte Neyer. Mit Vorschriften wolle der Kirchenrat Kriterien wie Kooperation, Evaluation und Koordination anwenden, sagte sein Sprecher Andrea Bianca. Als ein löbliches Beispiel nannte er den Quartiertreffpunkt Coffee & Deeds in Zürich-Hirzenbach.

«Ins Meer der Gleichgültigkeit gespült»
Franco Sorbara, Pfarrer in Hirzenbach, konstatierte allerdings, er habe in den vergangenen Jahren im Handeln des Kirchenrates die erforderliche Milieu-Sensibilität vermisst. Andererseits, so Sorbara, «hat uns die vielbemühte Strategie der Offenheit ins Meer der Gleichgültigkeit gespült». Die Mehrheit der aktuell Austretenden seien Kinder derer, die sich schon lange innerlich von den Glaubensgrundlagen der Kirche verabschiedet hätten. «Für sie sind wir schlichtweg überflüssig.»

Weiter wurde eingewandt, dass die Situationen der Kirchgemeinden sehr unterschiedlich seien. Doch die Synodalen gaben dem Kirchenrat – laut seinem Juristen Martin Röhl sind «Vorschriften» weniger direktiv als «Richtlinien» – die neue Kompetenz, Vielfalt in den Gemeinden zu fördern.

Kirchenrat Andrea Bianca (M.) im Gespräch mit Willi Honegger und Franco Sorbara (rechts).

Und die Freiwilligen?
Vor der Schlussabstimmung kamen die Vorbehalte gegen die Teilrevision nochmals zum Ausdruck. Theddy Probst und Christian Walter von der Evangelisch-Kirchlichen Fraktion bemängelten das Fehlen einer Vision – «Wo kommen die Freiwilligen vor?» – und Beliebigkeit. Walter: «Die wesentlichen Probleme der Kirche haben wir aussen vorgelassen.» Karl Stengel zitierte Sören Kierkegaards Parabel von den Gänsen, die eine gediegene Predigt des Gänserichs übers Fliegen geniessen – und nicht abheben.

«Solidarität zwischen Stadt und Land weitestgehend vernachlässigt»
Kurt Stäheli aus Marthalen (Liberale Fraktion) stellte fest, die Teilrevision sei zentralistisch konzipiert. «Die Bürokratie wird wichtiger.» Die Vorbehalte, welche die Theologische Fakultät in der Vernehmlassung geäussert habe, seien nicht ernst genommen worden. «Die Gemeindeautonomie wird zwar hoch gefeiert, aber eigentlich kaum beachtet. Die Solidarität zwischen Gross und Klein, zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land wird weitestgehend vernachlässigt.»

Adrian Honegger aus Flaach hielt mit einer düsteren Prognose nicht zurück: «Die neue Regelung der Pfarrstellenzuteilung bringt nicht nur kleinste Kirchgemeinden, sondern auch kleine Kirchgemeinden zum Verschwinden.» Im Weinland glaube niemand mehr an die Synergien im Fusionsprozess.

«Wir brauchen Orte, wo wir uns zu Hause fühlen»
Zwei Pfarrer der Liberalen Fraktion markierten die Pole: Ivan Walther (Urdorf) kritisierte die Schwächung des Pfarramts. «Wir verteilen Stellen ohne hinzuschauen, wie viele Konfirmanden da sind.» Territoriale Grenzen seien heute überholt, doch «wir brauchen lokalisierbare Orte, wo wir uns zu Hause fühlen. Dies ermöglicht, dass wir uns später überall zu Hause fühlen können.» Mit der Teilrevision gebe die Synode genuine Werte auf.

Schlussabstimmung unter Namensaufruf: Drei Fraktionen stimmten deutlich zu, in der Evangelisch-kirchlichen Fraktion überwogen die Bedenken.

Thomas Grossenbacher, Zürich, plädierte dagegen für ein Ja zum «Stückwerk». Mit der Arbeit an der Kirchenordnung sorge die Synode für Rahmenbedingungen. «Wir werden nicht am Ziel sein, sondern anfangen auszulegen.»

Wie er unterstrichen die Sprecherinnen der Religiös-sozialen Fraktion und des Synodalvereins das Positive. Jacqueline Sonego Mettner (Meilen) äusserte, die Änderungen in der Kirchenordnung könnten die Glaubwürdigkeit der Kirche stärken. Eva Ebel, Präsidentin des Synodalvereins, bemerkte, das Ergebnis sei demokratisch ausgehandelt worden.

Zeitfenster ohne Spardruck
Kirchenratspräsident Michel Müller relativierte in seinem Schlussvotum den Zeitdruck und wies darauf hin, dass die Teilrevision ohne Spardruck durchgeführt werden konnte. Eine mehrheitsfähige Vorlage zusammenzustellen sei eine Kunst, Reformschritte setzten Glauben voraus. Müller äusserte sich abschätzig über die Stellungnahme der Theologischen Fakultät. Er bestritt, dass die Gemeindeautonomie insgesamt geschwächt werde. Bei alledem wisse auch der Kirchenrat «um die Vorläufigkeit menschlichen Tuns», wie sie die Präambel der Kirchenordnung nennt.

Die Teilrevision wird nun den reformierten Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern des Kantons vorgelegt. Sie werden am 23. September darüber befinden

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