Vorkehren für Krisen und Konflikte – und «Disputation» für alle

1. Oktober 2022 – Der Kirchenrat erhält Notstandskompetenzen und die Angestellten der Kirchgemeinden sollen künftig ihre Beschwerden zur kantonalen Ombudsstelle tragen. Die Kirchensynode führte am 12. Juli die Beratung der Teilrevision der Kirchenordnung zu Ende. Sie genehmigte zudem 300’000 Franken für die «Disputation», die im Herbst 2023, 500 Jahre nach dem Beschluss zur Reformation, in Zürich stattfinden soll. Existentielle Fragen sollen breit diskutiert werden.

Der Kirchenrat will die Kompetenz, in Notsituationen ausserordentliche Massnahmen zu treffen. Sein Sprecher Bernhard Egg, begründet den Antrag mit dem Umstand, dass sie ohne Rechtsgrundlage auf kantonales Recht verwiesen sei. Er fragt, ob die vorberatende Kommission dem Kirchenrat vertraut.

Ihr Sprecher Benedict von Allmen hält fest, es gebe kein einziges Szenario, bei dem die Notstandsklausel für Kirche notwendig sei. Die GPK unterstützt den Kirchenrat; sein Präsident Michel Müller plädiert für die Klausel, da sonst die Handlungsfähigkeit gefährdet sei. Im Verhältnis 2 zu 1 – Synodalverein und Religiös-Soziale Fraktion stimmen fast geschlossen dafür – billigen die Synodalen den neuen Artikel.

Eine eigene Ombudsstelle?

Zu reden gibt die Frage, ob für die Angestellten der Kirchgemeinden für eigene kirchliche Ombudsstelle geschaffen werden soll. Oder will man die Dienste der kantonalen Ombudsstelle (welche bereits den Pfarrpersonen offensteht) in Anspruch nehmen?

Benedict von Allmen votiert als Sprecher der Kommissionsmehrheit für die interne Lösung: So könne die Kirche die Ombudspersonen (je eine Person für Recht und Mediation) selber bestimmen und die Aufsicht führen.

Pfr. Ueli Flachsmann, Präsident der vorberatenden Kommission.

Die externe Stelle koste im Jahr unabhängig von der Auslastung wenigstens 80’000 Franken. Kirchliche Ombudspersonen sollten zuerst auf Mandatsbasis entschädigt werden. Die Kommissionsmehrheit findet die Kosten für ein niederschwelliges Angebot, das Bezirkskirchenpflegen und Rekurskommission entlastet, gerechtfertigt.

Annette Stopp Roffler spricht sich namens der Kommissionsminderheit gegen eine kircheninterne Ombudsstelle aus. Die kantonale Stelle sei etabliert und günstiger. In den meisten Fällen werde es um typische arbeitsrechtliche und persönliche Streitigkeiten gehen. Kirchenrätin Katharina Kull erwähnt, dass die Vernehmlassung eine knappe Mehrheit für die kantonale Ombudsstelle ergab. Die Unabhängigkeit der kantonalen Ombudsstelle könne auch von Vorteil sein.

Ruth Derrer Balladore hebt dagegen hervor, die Ombudspersonen sollten mit der Kirche vertraut sein. Hans Grubenmann, in Mediationen erfahren, votiert für die Autonomie. Kirchliche Konflikte könnten so besser bearbeitet werden.

Andrea Widmer Graf fasst die Gesichtspunkte der Kommissionsmehrheit zusammen. Die Finanzen könnten nicht den Ausschlag geben; es müsse um die Unterstützung der Kirchgemeinden gehen.

Die Kirchensynode tagt derzeit in der Messehalle in Oerlikon.

Die kantonale Ombudsstelle werde von Bürgern kontaktiert, die sich über das Steueramt oder eine Busse der Kantonspolizei beschwerten. Sie habe damit eine ganz andere Ausrichtung als die kirchliche Ombudsstelle; diese müsse sich mit Fragen von reformierten Mitarbeitern befassen und habe in Konfliktfällen zu Lösungen beizutragen und Kirchgemeinden zu entlasten. Doch die Versammlung spricht sich mit 55 Ja zu 36 Nein für die Dienste der kantonalen Stelle aus.

Wie weiter im kirchlichen Unterricht?

In einer Aussprache über das revidierte rpg (religionspädagogisches Gesamtkonzept) lobt Willi Honegger von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion diese Form der Vermittlung des Glaubens. «Das Senken von Anforderungen ist kein Erfolgspfad mehr.» Es sei richtig, dass man von Jugendlichen etwas verlangt und sie einbezieht. Sie würden es nicht schätzen, wenn man sich ihnen anbiedere. Die Konfirmation werde in ihrem Wert erkannt. Dazugehören soll etwas kosten, sagt Honegger. Er wünscht, dass Katechetinnen und Diakone ermutigt und gestärkt werden.

Nach 500 Jahren: Disputation!

Der Kirchenrat stellte der Synode kurzfristig Antrag, 302’000 Franken für eine Disputation zur Verfügung zu stellen. 500 Jahre nach den beiden Disputationen, in welchen die Zürcher Reformation beschlossen wurde, sollen im Herbst 2023 in der Stadt Zürich existentielle Fragen diskutiert werden.

Die Landeskirche und die Stadtkirche Zürich wollen dafür eine Plattform schaffen, in Form eines zweiwöchigen Festivals und von Veranstaltungen.

Vorbehalte und Fragen zur Disputation: Kommissionspräsidentin Katja Vogel.

Katja Vogel referiert ein grundsätzliches Ja der vorberatenden Kommission mit vielen Fragen und Vorbehalten. Anders als 1523 sei heute undenkbar, «dass die Kantons- oder Stadtregierung zu einer Debatte über Fragen des Glaubens einlädt». Doch zweifle die Kommission daran, dass mit niederschwelligen Gesprächsanstössen das Legislaturziel «Über Gott reden» erreicht werde.

Ein Redenzyklus, eine Kunstinstallation, eine auf Bauten bezogene ETH-Veranstaltungsreihe, ein Schulprojekt und die Einladung an die Stadtzürcher Kirchenkreise, Beiträge zu leisten – dieses Spektrum der geplanten Veranstaltungen lasse viele Fragen offen, sagt Vogel. «Niederschwelligkeit darf nicht in Beliebigkeit abrutschen.»

Die Verantwortung gebe die Kirche an zwei Kuratoren ab, die nicht Leute der Kirche seien. «Es wäre schade, wenn die Kirche für einen Anlass, der sich auf ihre Geschichte bezieht, zwar bezahlt, aber hinter einem säkularen Kulturfestival verschwindet.» Die Kommissionspräsidentin kritisiert auch den Stadtzürcher Fokus und regt an, die Stadtzürcher Kirchenkreise könnten je ein Pfarrkapitel zu einer Disputation einladen.

Kirchenratspräsident Michel Müller stellt die Disputation in den Kontext des Reformationsjubiläums und verspricht, die Anregungen einzubeziehen. Die Kirche stelle eine Plattform her, auf der sich alle einbringen könnten.

Die Debatte spiegelt die Vorbehalte. Gerda Zbinden von den Religiös-Sozialen findet den Aufwand für zwei Wochen zu gross und stellt den Antrag, den Kredit abzulehnen. Sie unterliegt mit 19 zu 62 Stimmen. Gina Schibler findet für das Anliegen, die Disputation auf Zukunftsfragen zu fokussieren, nur vereinzelt Unterstützung. In der Schlussabstimmung erhält der Antrag 71 Ja, bei 12 Nein und 8 Enthaltungen.

Die Synodeversammlung als Video

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