„Wir möchten das Potenzial der Kirchgemeinden steigern“

Kirchgemeinden sind dazu da, die Liebe Gottes zu den Menschen zu verkündigen. Grössere Gemeinden können eher auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Mitglieder eingehen, sagt Kirchenratspräsident Michel Müller. „Wir wollen Vielfalt und Teamarbeit.“ Im EKVZ-Interview erläutert er das Projekt KirchGemeindePlus und wie es dazu beitragen soll, den Kernauftrag der Kirche freizulegen.

EKVZ: Was sind die Hauptgründe für KirchGemeindePlus?

Michel Müller: Wir reagieren – und das ist dringend nötig – auf den anhaltenden Rückgang an Mitgliedern und an Mittel. Der Trend ist derzeit nicht umkehrbar. Wir müssen etwas tun. Unser Projekt KirchGemeindePlus (KGP) ist aber mehr als eine Reaktion: Der Kirchenrat schlägt für die Struktur der Landeskirche einen grossen Schritt vor, damit Kirchgemeinden nicht nur den Rückgang aufhalten können, sondern auch in der Lage sind, wieder vermehrt vielseitig und flexibel auf die Bedürfnisse der Mitglieder einzugehen.

Die Sinus-Studie hat uns gezeigt, dass es viele Erwartungen an die Kirche gibt, und zu viele bleiben offen. Die Kirchgemeinden sollen in der Lage sein, diesen Erwartungen besser gerecht zu werden. Unser Projekt zielt auf eine Flexibilisierung und Dynamisierung des Lebens der Kirchgemeinde.

Lesen Sie das Gespräch mit Kirchenratspräsident Pfr. Michel Müller.

Fresh expressions: Mut zum Experiment in der Schweiz?

Die neuen Gemeindeformen in der anglikanischen Kirche Englands erlauben ein tieferes Verständnis von Kirche. Dies sagte der britische Theologe George Lings, Kenner der „fresh expressions of Church“, Anfang November 2012 bei einem Besuch in der Schweiz.

Lings stellte an einer Tagung der Zürcher Landeskirche die neuen Gemeindeformen in den Rahmen eines Kirchenverständnisses, das sich an der Dreieinigkeit Gottes orientiert. Durch ihre Verschiedenheit weckten fresh expressions of Church (frische Ausdrucksformen von Kirche) die Frage nach dem Gemeinsamen und Verbindenden, sagte Rev. Dr. George Lings bei einem Empfang der Landeskirche. Allerdings seien – bei so viel Überraschendem – Fehler und Abstürze nicht zu vermeiden.

Starten – wie bei der Heirat

Der Brite machte Mut zum Experiment: „Es ist in Ordnung, zu starten ohne zu wissen, was passieren wird.“ Das sei bei jeder Heirat so. Viele fresh expressions gehen ein – “dann haben wir es immerhin versucht. Wir glauben, dass Gott in dieser Geschichte ist – er hat uns nicht verlassen.“ Auffällig ist für Lings, dass sich Menschen an diesen Orten einfinden, die von herkömmlichen Gemeinden gelangweilt sind oder der Kirche ganz fern stehen. Und: Fast die Hälfte der über 1000 Gemeinschaften in der Church of England werden von Nicht-Theologen geleitet. Kirche müsse so einfach gestaltet werden, dass diese Leute nicht ausbrennten, sagte Lings, und sie bräuchten angemessene Schulung.

Missional und kontextbezogen

Der Empfang am Abend des 3. November 2012 folgte auf eine gutbesuchte erste schweizerische Tagung zum Thema. An ihr definierte Lings in seinem Vortrag fresh expressions mit Stephen Croft, dem Bischof von Sheffield, als „neue kirchliche Gemeinschaften für die Weitergabe des Glaubens an jene, die keiner Kirche mehr angehören“. Die Gemeinschaften seien anders als herkömmliche Kirche „missional und kontextbezogen“, aber gleichwohl „wirklich Kirche“, indem sie Menschen in die Nachfolge Christi führten: „Menschen, die ihm verpflichtet sind, ihm ähnlicher werden und andere zu ihm einladen.“

An der Kirchensynode vom 12. März 2013 wurde eine Interpellation zu fresh expressions eingereicht. Der Kirchenrat wird die Fragen zur Förderung neuer Gemeindeformen im Sommer beantworten. Mehr zu fresh expressions

Bild: George Lings (2. von links) am Empfang der Zürcher Kirche mit Übersetzer, Sabrina Müller (links) und IGW-Rektor Fritz Peyer.

Quelle: lkf.ch

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