Das Christentum ist die Religion des Logos, des göttlichen Wortes, das Mensch geworden ist. Um der Sprachlosigkeit unter Christen abzuhelfen, haben die VBG Ende September die Studientage «Begründet glauben mit Herz und Verstand» durchgeführt. Der österreichische Theologe Christian Hofreiter legte dar, wie der Glaube in einer postmodernen Gesellschaft glaubwürdig gelebt und zur Sprache gebracht werden kann.

Das Christsein wird heute massiv angefochten. Wer gefragt wird und seinen Glauben aus seiner Biografie begründet, stillt die Frage noch nicht, warum man Christ werden sollte. Es kommt überdies darauf an, wer fragt: Nicht alle Zeitgenossen ticken postmodern; allerdings sind für viele Zeitgenossen Wahrheiten an die Stelle der einen Wahrheit, der einen gültigen Erzählung der Welt getreten. Dr. Christian Hofreiter, Direktor des Zacharias Instituts für Wissenschaft, Kultur und Glaube in Wien, bemerkte, dass Identität heute auf verschiedene Weisen gesucht wird. Die einen gehen nach dem Gefühl, andere suchen rationale Gründe, weitere wollen pragmatisch ihr Leben gut gestalten.

Unzweifelhaft hat die Postmoderne gewisse Sensibilitäten und Abneigungen verstärkt. Hofreiter nannte die Skepsis gegenüber Meta-Erzählungen, «grands récits» (Lyotard), die alles lückenlos abdecken, integrieren, erklären wollen. Feste Überzeugung kann ein Minus sein: «Wer etwas inbrünstig vorträgt, provoziert Ablehnung.» Nach Michel Foucault durchzieht Skepsis gegenüber Machtstrukturen und gegenüber vorgeblicher Objektivität die intellektuellen Foren Westeuropas.

Es wird noch verdammt

Man zweifelt an der Gültigkeit, ja der Berechtigung von Beweisen und findet Normatives oft unterdrückend – jedoch ist der Verzicht auf Normen keine Option. Das Phänomen des Shitstorms, der Meute, die online verdammt und virtuell steinigt, zeigt laut Hofreiter jedenfalls, dass nach allem Emanzipationsstreben bestimmte moralische Vorstellungen im Schwange sind. «Das anything goes stimmt überhaupt nicht.» Auf einen harten Konsens, eine Mauer der Ablehnung träfe jeder, der Gebet vor Vorlesungen an der Uni fordern würde.

Zu viel steht auf dem Spiel       

Der Referent, der auch am Oxford Centre for Christian Apologetics forscht, verwies auf ein Buch des anglikanischen Theologen Graham Tomlin. In der «provocative church» pflegen Leute einen Lebensstil, der Leute zum Nachdenken bringt und die Gemeinde wirkt gastlich und lädt ein. So kann sich «belonging before believing» (Grace Davie) ergeben: dass Interessierte manches mitbekommen, ohne vorweg die Glaubensinhalte der Gemeinschaft übernehmen zu müssen.

Christian Hofreiter deckte happige Ungereimtheiten in postmodernen und agnostischen wie atheistischen Gedankengängen auf. Wer sagt: «Es gibt keine Wahrheit», behauptet etwas in einer Absolutheit, die er anderen nicht zugesteht. Eigentlich, so Hofreiter, kann man nur formulieren, es gebe keine guten Gründe zu glauben, Glaube lasse sich nicht beweisen, die Denkwahrscheinlichkeiten stünden ihm entgegen. Doch auf der existentiellen Ebene – wenn nach dem Sinn des Lebens gefragt wird – «steht so viel auf dem Spiel, dass man nicht achselzuckend auf eine Antwort verzichten kann», weil nicht jeder Zweifel auszuräumen ist.

Ja des Herzens

Gegen die Meinung, vernünftige Argumente allein reichten hin, und die Forderung, sie müssten jeden Zweifel ausräumen, sprechen auch theologische Bedenken. Jesus machte den Einfluss der Sünde auf Herz und Denken deutlich: Es will nicht jeder zum Licht kommen (Johannes 3,19). Die vom Gegenspieler Gottes provozierte Verblendung fordert eine auch geistliche Auseinandersetzung.

Um Gott wirklich erkennen zu können, ist ein Ja des Herzens Voraussetzung (Johannes 7,17). «Sonst muten wir uns zu viel zu – und können nicht bewirken, was wir meinen, bewirken zu müssen.» Hofreiter folgerte, dass Christen nicht nur sich anderen Menschen öffnen, sondern dabei ständig Gott fragen sollen, welches Wort des Lebens er in ihr Leben hineinsprechen will. Dem Gespräch gut tut eine «gewisse Würze – ohne zu viel Gas zu geben» (1. Petrus 3,15-16; Kolosser 4,5-6).

Ziel: sprachfähige Christen

Der gebürtige Tiroler skizzierte an den VBG-Studientagen den Wert der Apologetik, der argumentativen Erläuterung und Verteidigung des christlichen Glaubens. Sie verbessert die Sprachfähigkeit der Christen, indem ihre Anfragen an den Glauben geklärt werden und sie wissen, warum sie glauben. Für Nicht-Christen werden Steine aus dem Weg geräumt und Missverständnisse beseitigt.

Christen tun gut daran, sich dabei auf Wesentliches zu konzentrieren: «Die Dinge, die ich glaube, sind nicht alle gleich wichtig. Zudem habe ich nicht überall dieselbe Überzeugungskraft.» Es gilt zu unterscheiden zwischen a) unverhandelbaren Kernpunkten des Glaubens und b) wichtigen und c) interessanten Aussagen. Hofreiter betonte abschliessend, Christen sollten sich in allem durch die Liebe Gottes bewegen und leiten lassen.

Weiterer Bericht von den Männedorfer Studientagen: Eine Bessere Welt ohne Gott?

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