Die Evangelisch-kirchliche Vereinigung des Kantons Zürich EKVZ nimmt zum Papier des Kirchenrats Stellung. Die folgenden Gesichtspunkte können Kirchenpflegen und anderen Gruppen helfen, ihre Auffassung in der Vernehmlassung darzulegen. Sie folgen der Gliederung der Erläuterungen des Kirchenrats.
Allgemein
1. Unsere Kirche hat offensichtlich Reformbedarf. KirchGemeindePlus kann und soll uns zum Nachdenken bringen, was Gemeindeaufbau in Zukunft sein soll und welche Formen dafür in Frage kommen.
2. Das Nachdenken kann nicht von oben diktiert werden. Sinnvolles Erörtern erwächst aus den konkreten Situationen der Kirchgemeinden. Vor Formen und Strukturen muss es um Inhalte und Stossrichtung des Gemeindeaufbaus gehen.
3. Zusammenarbeit braucht Zeit; sie darf nicht diktiert bzw. unter Zeitdruck beschlossen werden. Jede einzelne Kirchgemeinden soll selber entscheiden, ob und – wenn ja – wie, in welchem Umfang, wann, mit wem und in welcher Form sie dies tun will.
(Was in der katholischen Kirche im Kanton Zürich mit den Seelsorgeräumen praktiziert wird, soll in der reformierten Kirche ermöglicht werden. Es soll eine Vielfalt verschiedener Formen geben, die auch Experimente und befristete Vorhaben umfasst. Druck von oben braucht es nicht, schon gar nicht in zeitlicher Hinsicht.)
4. „Leben und leben lassen“ soll die Devise sein.
5. Die Unterschiede zwischen städtischen, Agglomerations- und Landgemeinden sind zu gross, als dass ein Einheitsbrei („Fusion“) in Frage kommen kann. Es geht nicht an, bestimmte vorgeschlagene Formen bloss als Zwischenschritt zu einer Fusion zu betrachten und damit abzuwerten.
6. Für die Kirchgemeinden bestehen je nach Grösse, Geschichte, Kultur, Prägung, Ausgestaltung usw. unterschiedliche Chancen und Risiken. Es gilt die Risiken nicht zu verschweigen. Vorteile und Nachteile sind nüchtern abzuwägen.
7. Die vom Kirchenrat genannten Formen der Zusammenarbeit (Zusammenarbeitsvertrag, Anschlussvertrag, Zweckverband …) sind als Alternativen gebührend zu prüfen. Nach einer Fusion gibt es kein Zurück!
8. Nicht die Struktur soll zuerst kommen, auch nicht die Organisation, schon gar nicht die sog. Professionalisierung. Viel mehr ist nach Aktivierung und Erneuerung zu fragen: Beteiligungskirche statt Konsum, neue Angebote, zeitgemässe Formen.
9. Eine Kirchgemeinde soll mehr Eigenverantwortung haben, eigenständig handeln können und mehr Bewegungsfreiheit haben – inhaltlich, finanziell und organisatorisch. Auch schöpferisches Chaos soll möglich sein. Die Regelungsdichte ist abzubauen.
10. Die vorgeschlagenen Formen der Zusammenarbeit sind Optionen, welche die Kirchgemeinden weiterentwickeln und für ihre jeweilige Situation anpassen können. Solche neuen Wege sind zu erproben und zu evaluieren. Dies bedingt einen weiteren Zeithorizont. Von oben darf Zusammenarbeit (bzw. der Übergang zur Fusion) nicht diktiert werden.
Zu Teil I (Seiten 4-13)
1. Die EKVZ kritisiert, dass der Druck auf die Kirchgemeinden zu Fusionen nach wie vor dominiert. Alternativen werden einseitig dargestellt.
2. Die EKVZ weist hin auf den Widerspruch zwischen der sog. Demokratiefähigkeit und der Partizipation: Grössere Gebilde schaffen zwar Möglichkeiten der demokratischen Mitwirkung, doch hat die einzelne Person in ihnen de facto weniger mitzubestimmen, weil ihre Stimmkraft kleiner und die Distanz zu den Entscheidungsträgern grösser ist.
3. Es ist erwiesen, dass die Verbundenheit (das Gefühl von Heimat, „Kirche im Dorf“) mit der Grösse einer Gemeinde abnimmt. Überörtliche, regionale Kirchgemeinden sind nicht authentischer und den Menschen nicht näher.
4. Das Betonen des „Service Public“ ist gefährlich, da die Erwartungen (des Staates, der Gesellschaft, der Öffentlichkeit?) nicht bestimmt sind. Die weitere Verdünnung der kirchlichen Präsenz ist vorprogrammiert (Der ständige Abbau der Poststellen zeigt dies anschaulich.) Ein Aufbruch sieht anders aus.
5. Dazu kommt, dass solche Tendenzen mit den Vorstellungen von Gemeindebau im Neuen Testament kaum übereinstimmen. Die geistliche Kerndimension von Kirche kommt klar zu kurz.
Zu Teil II (Seiten 14-15)
1. Der Reformplan ist organisatorisch, zeitlich und personell zu ambitiös. Die Basis muss jeden Schritt wollen und mitgehen. Alles andere lässt die Volkskirche zerbrechen.
2. Der Reformplan darf nicht auf der Prämisse beruhen, dass keine Kirchgemeinde allein bleibt. Vielmehr soll es jeder Kirchgemeinde überlassen bleiben, wie sie sich organisiert. Vorbilder sollen die Seelsorgeräume der katholischen Kirche, Experimentierformen wie in gewissen ausländischen Kirchen (Anglikanische Kirche) usw. sein. Zudem soll die finanzielle, inhaltliche usw. Eigenverantwortung gefördert und die Solidarität durch einen neuen Finanzausgleich gestärkt werden.
Zu Teil III (Seiten 16-17)
1. Der Zeitplan ist zu ambitiös.
2. Es leuchtet nicht ein, weshalb der Zeitraum bis 2019 „ein günstiges, vermutlich einmaliges Zeitfenster“ sein und das letzte Zeitfenster im Jahr 2023 liegen soll. Die meisten Kirchgemeinden haben bisher ein Eigenleben geführt. Daher braucht Zusammenarbeit viel mehr Zeit. Sie darf nicht diktiert bzw. unter Zeitdruck oder vermeintlichen Sachzwängen beschlossen werden, sondern bedarf sorgfältig erwogener und transparent beschlossener Schritte. Sonst nehmen die Risiken entsprechend zu: Frustrationen bei Beteiligten und noch mehr Austritte sind absehbar.
Wenn Kirchgemeinden fusionieren wollen oder andere Formen der Zusammenarbeit passend finden, können sie dies zu jedem (auch späteren) Zeitpunkt tun.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Äusserst hilfreich und wichtig!
„Inhalte, Stossrichtungen“ oder Zukunftsvisionen/-perspektiven sind zentral und sollten vor allen organisatorischen Fragen angegangen werden. Ohne entsprechende Visionen wird es schwierig sein, Menschen für notwendige Reformen gewinnen zu können. Aber genau dieses aktive Mitgestalten der Kirchen von vielen Freiwilligen brauchen wir heute.