Wofür ist die Kirche da?
7. Dezember 2018 – Die Kirchensynode genehmigte am 27. November das Budget 2019 und nahm Kenntnis von den unsicheren finanziellen Aussichten im nächsten Jahrzehnt. Willi Honegger erinnerte an den gravierenden Entscheid der Synode vor 150 Jahren. Seither ist das Apostolische Glaubensbekenntnis nicht mehr verbindlich. Aus Bekenntnisfreiheit ist Bekenntnislosigkeit geworden – ein Mangel, der zu einer Rückbesinnung geführt hat. Die Synode bewilligte für die nächsten drei Jahre Beiträge an die Opferhilfe für Frauen, die nach sexueller Ausbeutung im Ausland in die Schweiz gelangt sind. Eine Diskussion über neue Gemeindeformen verlief unglücklich und wurde bald abgebrochen.
Das Haupttraktandum des Tages wurde durchgewunken: das Budget 2019 der Zentralkasse mit einem Aufwandüberschuss von 1,37 Millionen Franken. Vorgesehen sind geringere Beiträge der Kirchgemeinden; andererseits lassen die Übernahme von Kosten in Stadtzürcher Pflegeheimen, höhere Ausbildungskosten für mehr Pfarrvikare und ein Stufenanstieg bei den Pfarrerlöhnen die Ausgaben zunehmen. Fürs Personal ist gegenüber dem Vorjahr ein halbes Prozent weniger budgetiert (85,14 Millionen Franken).
All dies gab nicht Anlass zu Diskussionen. Die Finanzkommission erklärte sich damit einverstanden, dass den Kirchgemeinden 2019 derselbe Beitragssatz auferlegt wird, obwohl die Landeskirche damit zuletzt mehrfach Überschüsse geschrieben hat.
Unternehmen steuern bei, Kanton stützt
Neben den finanziellen Auswirkungen von Austritten steht am Horizont – infolge der Steuervorlage 17 – eine schmerzhafte Minderung der Steuererträge von Unternehmen (25 Prozent?). Da sich dieses Minus erst 2023 bemerkbar machen wird (und laut Kirchenrätin Katharina Kull vom Kanton während fünf Jahren abgefedert werden dürfte), lebt die Landeskirche vorerst auf dem komfortablen Niveau weiter. Karl Stengel von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion erinnerte daran, dass so den Kirchgemeinden Mittel entzogen werden, die sie sonst selbst verwenden können. Die Worte verhallten im Rathaussaal.
Kirchenratspräsident Michel Müller rühmte das Wohlwollen, das er am Vortag im Kantonsrat für die Landeskirchen gespürt hatte: Die Jahresberichte seien ohne Gegenstimme genehmigt, die Staatsbeiträge für 2020-2025 (jährlich 50 Millionen für nicht-kultische Aktivitäten der öffentlichrechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften) ebenso bewilligt worden.
Vor dem Zwinglijahr
Michel Müller wies hin auf die vielfältigen kulturellen Projekte im Rahmen des kantonalen Reformationsjubiläums, die in der Hauptstadt laufen, und den Zwingli-Film, der Mitte Januar in die Kinos kommt. Thomas Grossenbacher berichtete von der Abgeordnetenversammlung des Kirchenbunds, der sich zur Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz wandelt, Kirchenrätin Esther Straub von den Feiern 100 Jahre nach der Ordination der zwei ersten reformierten Pfarrerinnen.
Bekenntnisfrei – wozu?
Willi Honegger von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion EKF warf ein anderes Schlaglicht auf die Geschichte der Zürcher Kirche und ihrer Synodefraktionen: Ende Oktober 1868 – vor 150 Jahren – hob die Synode die Verpflichtung auf den Gebrauch des Apostolischen Glaubensbekenntnisses im Gottesdienst auf. Dies geschah nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen; damit verlor – so Honegger – «nicht der Glaube an den drei-einen Gott seinen Platz in den Herzen der Menschen. Doch der kirchlich sichtbare Ausdruck dieses Bekenntnisses verlor in unserer Kirche seinen Platz.»
Die ersten Fraktionen der Synode bildeten sich im Bekenntnisstreit: einerseits die Freigesinnten (heute Liberale), andererseits die Positiven (heute Synodalverein). Laut Willi Honegger wirkt der Verlust des gemeinsamen Bekenntnisses bei den Schweizer Reformierten nach: «Viele spüren, dass da ein Vakuum besteht.» Die Zürcher Kirchenordnung von 2009 und die geplante neue Verfassung der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS berufen sich auf die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse. Die Schweizer Reformierten seien daran, diesen theologischen Gedächtnisverlust zu überwinden, kommentierte Honegger – eine «segensreiche Neu-Besinnung auf die Fundamente evangelischer Hoffnung und tätiger Nächstenliebe».
Fusionsgemeinden unter die Arme greifen
Damit Zusammenschlüsse von Kirchgemeinden im Rahmen von KirchGemeindePlus nicht aus finanziellen Gründen scheitern, stellt die Landeskirche für die nächsten drei bis vier Jahre insgesamt drei Millionen Franken an Entschuldungsbeiträgen bereit. Sie werden gewährt, wenn die fusionierte Kirchgemeinde sonst unzumutbar hoch belastet würde und wenn Kirchgemeinden eine überdurchschnittlich hohe Nettoschuld aufweisen.
Neue Gemeindeformen?
Bernhard Neyer vom Synodalverein wollte den neugefassten Artikel 155 der Kirchenordnung nutzen, um den Kirchenrat einzuladen, die Förderung nicht-territorialer Gemeinschaften zu prüfen. Er begründete sein Postulat u.a. mit dem Hinweis auf die Mobilität der Kirchenmitglieder, welche vieles fern ihrem Wohnort erleben. Es sei zu überlegen, «ob in der heutigen individualisierten Gesellschaft die Zugehörigkeit der Menschen immer noch territorial ‹verordnet› werden kann». Die Kirche habe den Auftrag, neue Lebenswelten anzusprechen. Und Menschen fühlten sich «zu anderen Menschen in derselben Lebenswelt hingezogen».
Nachdem der Kirchenrat im Vorfeld angekündigt hatte, das Postulat nicht entgegennehmen zu wollen, teilte Neyer vor der Diskussion schon mit, er werde es in dieser Form zurückziehen, um es später wieder einzureichen. Dies stiess auf Unverständnis. Die Debatte über den Vorstoss kam nicht recht in Fahrt; ein Antrag auf Abbruch wurde angenommen und die Synodesitzung kurz vor 15 Uhr geschlossen.
Website der Landeskirche: Budget 2019 und weitere Geschäfte der Kirchensynode