Kirchenratspräsident Michel Müller knapp wiedergewählt

4. Oktober 2019 – Die Kirchensynode hat Michel Müller für eine dritte Amtsperiode wiedergewählt. Er erhielt 67 von 116 gültigen Stimmen. Die Gegenkandidaten Gina Schibler und Marcus Maitland erhielten 9 bzw. 19 Stimmen. Neu in den Kirchenrat gewählt wurde Margrit Hugentobler.

Mittags um zwölf war alles klar: Michel Müller wurde im ersten Wahlgang wiedergewählt – mit einem schwachen Resultat. Der Wahl voraus ging eine Debatte mit ungleich langen Spiessen. Die beiden Gegenkandidaten waren nicht von einer Synodal-Fraktion oder einem starken interfraktionellen Komitee vorgeschlagen. Die zwei grössten Fraktionen, der Synodalverein und die Religiös-soziale Fraktion (rsf), hatten ihnen im Vorfeld die Anhörung verweigert.

Ein Drittel der Synodalen zum ersten Mal im Saal: Präsidentin Simone Schädler.

Eva Ebel, Präsidentin des Synodalvereins, schlug Michel Müller zur Wiederwahl vor. Er habe Entscheide des Kirchenrats auf seine Art engagiert vertreten. Der Reformprozess habe «naturgemäss Unruhe und Unsicherheiten» in die Kirche gebracht. Dafür könne man den Präsidenten nicht persönlich verantwortlich machen. Ebel lobte Müller als profiliert und zugänglich und als einfühlsamen Seelsorger mit «Augenmerk auf diejenigen, die vor Diskriminierung geschützt werden müssen». Er sei vielfältig vernetzt – und «Garant für auch zukünftig gute Zusammenarbeit von Kirche und Staat».

«Klima von Druck und Angst»

Der Weinländer Synodale Adrian Honegger stellte die beiden Gegenkandidaturen vor – und ging auf ihre Hintergründe ein. Wählen sei ein Grundrecht; eine Nomination durch eine Fraktion sei nicht erforderlich. Er habe die acht Amtsjahre von Michel Müller als bedrückend erlebt, sagte Honegger. Zahlreiche Vorlagen seien unter Zeitdruck durchgepaukt worden. «Die Synode ist für den Kirchenrat und namentlich den Präsidenten nicht mehr ein Gegenüber.» Honegger konstatierte ein «Klima von Druck und Angst» und eine schlechtere Diskussionskultur. Der Wandel von der Volkskirche zur Verwaltungskirche sei in vollem Gange.

Sechs Amtstugenden: Prof. Thomas Schlag.

Der Vertreter der Theologischen Fakultät in der Kirchensynode, Prof. Thomas Schlag, bemerkte in einer Stellungnahme im Blick auf KirchGemeindePlus, das «Zürcher Kirchenbiotop» sei es wert, mit allen Kräften gepflegt zu werden. Er benannte sechs Amtstugenden, welche im Präsidium geübt werden sollten: Achtsamkeit, Empathie, Konsensfähigkeit, Flexibilität, Mut und theologische Klugheit. Diese Tugenden seien erforderlich, um in der Landeskirche «die geordnete Mischung der Einzelteile zu ermöglichen und zum anderen all dasjenige in seiner Identität wachsen zu lassen, was ganz organisch über eigene Triebkräfte verfügt».

Konkordanz!

In der Folge wandte sich rsf-Präsident Matthias Reuter gegen die zwei Kandidaturen. Die rsf halte sich wenn immer möglich an die Konkordanz. Wenn man auch Kritik an Michel Müllers Amtsführung habe üben können, sei doch eine Gegenkandidatur nie angebracht gewesen. Er tauge nicht als Sündenbock für Schwierigkeiten bei KirchGemeindePlus. Wer mit Michel Müller sachlich streiten wolle, könne das tun – ohne persönliche Retourkutschen befürchten zu müssen.

Will sich fürs Klima engagieren: Gina Schibler.

Gina Schibler, als Synodale neu gewählt, konstatierte ein Imageproblem der Reformierten. Der Kirche drohe der Verlust des Profils. Es gelte, gesellschaftlich relevante Zeichen – namentlich zum Klima – zu setzen. Eine Strukturreform lasse die Jugend kalt. Schibler plädierte für eine Kirche, die «lokal verwurzelt, initiativ und zugleich traditionsbewusst» ist.

In der Folge ergriffen noch wenige Synodale das Wort. Giorgio Girardet (neu) mahnte ein «Gespür für die Mitte unserer Kirche» an. Es gehe nicht an, mit dem Finanzausgleich Kirchgemeinden Daumenschrauben anzulegen. Ivan Walther befand, acht Jahre Michel Müller seien genug. Es gelte, die Unzufriedenen anzuhören. Müllers Wiederwahl wäre alles andere als optimal. Er hoffe, «dass Gott einen Neuanfang ermöglicht».

Arbeitsklima verbessern

Das Ergebnis der Wahl war nach dem Sperrfeuer der beiden grössten Fraktionen zu erwarten. Für Michel Müller votierten 67 Synodale; 19 schrieben Marcus Maitland auf den Zettel, neun Gina Schibler und 21 (!) andere Personen. Maitland konnte im Saal eine Erklärung abgeben. Es sei Zeit, die Gräben zu schliessen, sagte er. Damit das Miteinander gelinge, sei Achtsamkeit vonnöten. «Es braucht weitere Schritte und Lösungen. Das Arbeitsklima kann verbessert werden.»

Konkordanz! Matthias Reuter, rsf-Präsident.
Konkordanz! Matthias Reuter, rsf-Präsident.

Gina Schibler brachte ihre Bereitschaft zum Ausdruck, in der Synode zu wirken. «Klima, Schöpfung, Gerechtigkeit – die Themen werden uns erhalten bleiben.» Ein sichtlich erleichterter Michel Müller dankte Eva Ebel und Matthias Reuter für die Unterstützung und meinte: «Sie haben mich nicht durchgewunken, sondern kritisch befragt – und das sollen Sie weiterhin tun.»

Es folgte die Wahl der sechs übrigen Kirchenräte. Von 117 gültigen Stimmen erhielt Andrea Bianca 103, Margrit Hugentobler 96, Bernhard Egg 94, Daniel Reuter 91, Esther Straub 87 und Katharina Kull 77 Stimmen.

Weisheit im Streiten

Zum Beginn des Tages hatten sich die Synodalen mit dem Kirchenrat zu einem Gottesdienst im Grossmünster versammelt. Der abtretende Kirchenrat Thomas Plaz legte Ratschläge des Apostels Paulus zum Fleisch-Essen auf die heutigen Debatten aus (PDF der Predigt).

Andrea Bianca, Esther Straub, Daniel Reuter, Michel Müller, Katharina Kull, Bernhard Egg und Margrit Hugentobler nach der Wahl.
Andrea Bianca, Esther Straub, Daniel Reuter, Michel Müller, Katharina Kull, Bernhard Egg und Margrit Hugentobler nach der Wahl.

Im Rathaus konstituierte sich die Kirchensynode für die Amtsperiode 2019-2023. Matthias Reuter eröffnete die Sitzung als Alterspräsident und rief zum weisen und zielklaren Handeln auf. Weisheit wachse «manchmal auch im Streiten» – die Kirchensynode sei kein Streichelzoo, keine Kuschelzone. Jeder Synodale solle zu verstehen suchen, warum der andere so rede. Weisheit habe ganz viel mit Respekt zu tun, mahnte Reuter. Von der Legislative seien klare Entscheide gefordert.

Nach Erwahrung ihrer Wahl legten die Synodalen ihr Amtsgelübde ab. Dann bestellten sie ihr Büro für die Amtsperiode. Simone Schädler wurde als Präsidentin wiedergewählt, ebenso die erste Vizepräsidentin Barbara Bussmann. Als zweiter Vize nahm Michael Bänninger neu auf dem Bock Platz. Katja Vogel und Andrea Saxer arbeiten weiter als Sekretäre. Die weiteren Wahlen (Rekurskommission, GPK und Finanzkommission, SEK-Abordnung, Trägerverein reformiert.) verliefen gemäss dem Vorschlag der Fraktionspräsidenten.

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