KirchGemeindePlus: Synode weist Bericht zurück    

Der Kirchensynode debattierte am 24. September den Schlussbericht des Kirchenrates zum Prozess «KirchGemeindePlus» (KGPlus). Am Ende überwog die Kritik: Statt zustimmender Kenntnisnahme resultierte Rückweisung, mit 60 zu 41 Stimmen. Die Legislaturziele des Kirchenrates wurden zur Kenntnis genommen.

Kein Projekt des Kirchenrates hat die Zürcher Landeskirche in den letzten Jahrzehnten ähnlich tiefgreifend verändert wie KGPlus. Von 2012 bis 2023 wurden über 20 Zusammenschlüsse von Kirchgemeinden beschlossen und realisiert, darunter jener zur Riesengemeinde in der Stadt Zürich. 176 Kirchgemeinden zählte die Landeskirche vor dem Prozess, Ende 2023 waren es noch 107. Was bedeutet dies für die Landeskirche? Wie entwickeln sich die überörtlich organisierten Gemeinden? Wurden die Ziele der Strukturreform erreicht?

Die vorberatende Kommission, die sich über den Bericht des Kirchenrates beugte, fand auf diese Fragen keine Antworten. Der Kirchenrat legte zwar Rechenschaft ab über die finanziellen Aspekte: Die Landeskirche hat für den Aufwand in ihren Gesamtkirchlichen Diensten, für Beratungen und Beiträge an die Kirchgemeinden von 2012 bis 2023 insgesamt 5,86 Millionen ausgegeben. Breit wurden auch fünf Empfehlungen der Begleitforschung kommentiert.

Keine eigenständige Position des Kirchenrats

Doch vermisste die Kommission «die eigenständige Positionierung zum Prozess durch den Kirchenrat», eine zusammenfassende Berichterstattung über den Prozess und eine «kirchenpolitische, auch ekklesiologische Analyse». Dies habe zum einstimmigen Rückweisungsantrag der Kommission geführt, sagte ihr Präsident Peter Schmid. «Der Bericht ist kein Schlussbericht.» Angesichts der Komplexität und Tragweite des Prozesses gehe das nicht hin. Zum Abschluss von KGPlus gehöre eine nüchterne Synodedebatte über die Ergebnisse «auf der Grundlage eines klaren, gut strukturierten und prägnanten Berichts des Kirchenrats».

Wünschte einen klaren, gut strukturierten Schlussbericht: Kommissionspräsident Peter Schmid.

Kirchenrätin Margrit Hugentobler befand, die Landeskirche könne stolz sein, die Strukturreform angestossen zu haben, und wehrte sich gegen die Rückweisung des Berichts. Entgegen der Kommission traten auch zwei der vier Fraktionen, die religiös-soziale Fraktion und der Synodalverein, für zustimmende Kenntnisnahme ein. Die Debatte brachte allerdings zahlreiche Vorbehalte, Diskussionsbedarf und auch Schmerz zu Tage.

Struktur vor Inhalt

Ruth Derrer Balladore, die Präsidentin der Liberalen Fraktion (LF), wies darauf hin, dass die Grössenunterschiede der Kirchgemeinden stark zugenommen haben. Laut Christian Meier, Präsident der Evangelisch-kirchlichen Fraktion (EKF), gab es im Prozess viele Unstimmigkeiten, weil man rasch Struktur vor Inhalt stellte. «Wie wollen wir Kirche gestalten? Das können wir nur verstehen, wenn wir auch wissen, woher wir kommen.» Meier forderte den Kirchenrat auf, Überlegungen nachzuliefern; dies sei er der Synode schuldig.

Wehrte sich vergeblich gegen die Rückweisung: Kirchenrätin Margrit Hugentobler.

Probleme mit Fusionen nicht gelöst

KGPlus habe geholfen, dringende Probleme in der Kirche anzugehen und heilige Kühe zu schlachten, sagte Ivan Walther (LF). Doch könne nun mit dem Abschluss des Prozesses die Idee verabschiedet werden, die Probleme seien mit Fusionen zu lösen. Selbstkritik sei durchaus angebracht. Es brauche weitere mutige Ideen, etwa die freie Wahl der Kirchgemeinde.

Martin Breitenstein (LF) wünschte, dass Kirchenpflegen für die weitere Verwendung der weniger genutzten Kirchen Unterstützung bekommen. Sein Fraktionskollege Adrian Honegger sprach von höheren Anforderungen an die Liegenschaftenverwaltung; er erwähnte eine «Sitzungslawine» und den Abbau von Pfarrstellen in Landgemeinden, namentlich im Weinland.

Willi Honegger (EKF) hatte zu Beginn von KGPlus die Hoffnung gehegt, die Kirche erkenne «die geistliche Not», die tiefe Krise der Kirche in Westeuropa, und werde dadurch ins Gebet getrieben. Doch dies sei nicht geschehen, sagte er nun. KGPlus habe den Entkirchlichungs- und Schrumpfungsprozess bloss begleitet, das System nicht reformiert.

Für wen da sein?

Prof. Thomas Schlag, Vertreter der Theologischen Fakultät, mahnte theologische Reflexion an: «Wie verstehen wir uns eigentlich als Kirche – und für wen will man da sein?» Es sei nicht nur nach neuen Orten zu fragen, sondern auch nach Orten, wo die Kirche ihr Selbstverständnis klären könne. «Wie beweglich – und für wen will man eigentlich beweglich sein?»

Wie wollen wir Kirche gestalten? EKF-Präsident Christian Meier.

Michael Baumann (EKF) erwähnte die zahlreichen negativen Rückmeldungen von Mitarbeitenden; zudem habe die Verbundenheit zahlreicher Mitglieder mit der Kirche gelitten. Nach dem Herzblut, das viele Reformierte im Kanton in den Prozess gesteckt hätten, sei ein inhaltliches Nachdenken angebracht. Vertreter von rsf und Synodalverein wollten diese Arbeit anders angehen und votierten für die Kenntnisnahme des Berichts.

Heimat verloren

«Das Verlorengehen der Heimat in der Kirche» sei zu würdigen, sagte Matthias Ruff (LF) aus dem Säuliamt, wo neun Kirchgemeinden fusioniert haben. In der Detailberatung sprach sich Susanne Weinmann (EKF) dafür aus, dass die Pflichtenhefte von Ortskirchenkommissionen in der Verantwortung der Kirchenpflegen bleiben; hier dürfe die Gemeindeautonomie nicht eingeschränkt werden.

Kirchenrätin Margrit Hugentobler machte klar, dass der Kirchenrat zu KGPlus kein weiteres Papier liefern will.

Für die freie Wahl der Kirchgemeinde: Ivan Walther.

Doch überzeugte die von der EKF geschlossen unterstützte Forderung nach einem substanziellen Schlussbericht genügend weitere Synodale, namentlich der Liberalen Fraktion. Der kirchenrätliche Antrag auf zustimmende Kenntnisnahme wurde mit 54 zu 47 Stimmen zurückgewiesen. Die Schlussabstimmung bestätigte das Nein.

Legislaturziele

In der Folge beschäftigte sich die Synode mit dem Rückblick des Kirchenrats auf die vergangene Amtszeit und seinen Zielen für die laufende Legislatur 2024-2027. Drei Ziele, von der Kirchenleitung als Faltflyer versandt, werden in zehn Bereichen konkretisiert. Sie wurden von Synodalen positiv kommentiert und ohne Gegenstimmen zur Kenntnis genommen.

Ziel 1: Kooperation pflegen – wir setzen auf Zusammenarbeit
Lokale und regionale Vernetzung suchen – Zusammenarbeit mit Staat und Gemeinden weiterentwickeln – Kooperationen mit anderen Glaubensgemeinschaften klären

Ziel 2: Innovation fördern – wir lassen uns inspirieren
Vielfältige Formen und Orte fördern – Chancen des digitalen Wandels nutzen

Ziel 3: Ressourcen stärken – wir suchen kreative LösungenSpiritualität wahrnehmen und entdecken – Beruflichen Nachwuchs fördern – Ökologische Nachhaltigkeit vorantreiben – Angebotsstruktur überprüfen – Wahrnehmung kirchlicher Angebote stärken

Bessere Vernetzung mit Akteuren der Zivilgesellschaft: Kirchenratspräsidentin Esther Straub zu den Legislaturzielen.

Wann wird der Kirchenrat gewählt?

Schliesslich führte das Büro der Synode eine Aussprache über die Wahl des Kirchenrates durch. In den vergangenen Jahren hatten neugewählte Synodale ein anderes Datum gefordert. Aufgrund der Vorstösse fand die Wahl des Kirchenrats 2023 nicht nach der Konstituierung der Synode Anfang Oktober, sondern erst Ende November statt, am Tag, als auch das Budget zu beschliessen war. Dies wurde von mehreren Synodalen als ungut bezeichnet. Der Wunsch neuer Synodaler, die Kirchenräte vor der Wahl kennenzulernen, wurde gegen die Vorteile der bisherigen Regelung abgewogen.

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