Die Teilrevision der Kirchenordnung wirft Fragen auf. Der Zürcher Theologieprofessor Ralph Kunz erläuterte am 19. Januar vor der Evangelisch-kirchlichen Fraktion die Stellungnahme der Theologischen Fakultät. Er plädierte dafür, die anvisierten Entwicklungsziele zu debattieren.

Während diverse Anpassungen in der Kirchenordnung unbestritten sind, enthalten gewisse Artikel durchaus Stoff für vertiefte Diskussionen. So verschieben sich Gewichte in der Machtbalance des Zuordnungmodells der Gemeindeleitung. Dies wäre vor der Behandlung der Artikel theologisch vertieft zu diskutieren, sagte Kunz am 19. Januar in der Retraite der Evangelisch-kirchlichen Fraktion (EKF) in der Kartause Ittingen.

Denn das sogenannte Zuordnungsmodell (Pfarrer, Angestellte und Kirchenpflege gemeinsam zum Aufbau der Gemeinde gerufen) verlangt eine «menschen- und strukturnahe Gemeindearbeit». In ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Kirchenrates wies die Theologische Fakultät darauf hin, dass die Mitwirkung der Pfarrer in der Gemeindeleitung mit dem Begriff der theologischen Leitung zu wenig klar umschrieben sei.

Die Fakultät hinterfragt den Sinn einer Revision, die in grossen Teilen der Strukturreform KirchGemeindePlus (KGP, mit dem Ziel grosser Gemeinden) Schub geben soll. KGP gelte wie ein strategischer Masterplan, sagte Kunz, der nicht in Frage gestellt werde. «Es wird immer noch so getan, als gebe es nur einen Weg, eine nahe, vielfältige und profilierte Kirche zu werden.»

Mit Grossgemeinden schafft die Kirche neue Probleme
Nur mit Grossgemeinden könne man die Entwicklungsprobleme der Kirche nicht lösen, sondern schaffe auch neue, hielt Kunz fest. Denn die Komplexität grosser Gemeinden erfordere neue Regelungen. Es gelte darum zu fragen, ob in der Teilrevision der Geist der Kirchenordnung erhalten bleibe, wenn sie nur auf dieses eine Ziel ausgerichtet werde.

Laut Ralph Kunz bleibt es verwirrend, dass die theologische Bedeutung von Gemeinde sich nicht mit der (regionalen) Organisationseinheit deckt. In der Grossgemeinde Zürich sei es wenig hilfreich, wenn selbständige Teilstrukturen oder teilautonome Substrukturen kategorisch ausgeschlossen würden. «Es wird Zeit, über rechtliche Gestalten von Gemeinden auf einer Substruktur oder dann auf der mittleren Ebene der Region nachzudenken.» Denn: «Regionale Kirche setzt lokale Gemeinde voraus.»

Die EKF beschäftigte sich intensiv mit der Kirchenordnung.

Die Theologische Fakultät in Zürich hat in der Vernehmlassung im Frühjahr 2017 viele Punkte des kirchenrätlichen Entwurfs kritisiert. Das Ganze befand sie als nicht ausgereift. Sie schrieb: «Angesichts der vielen offenen Fragen raten wir dazu, die geplante Teilrevision in engster Berücksichtigung lokaler Kompetenzen und Verantwortlichkeiten weiter zu diskutieren und grundsätzlich die gestalterischen Mitwirkungsmöglichkeiten der unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure durch möglichst beteiligungsoffene Rahmenbedingungen zu sichern und rechtlich zu garantieren.»

Zeitdruck vermeiden
Ralph Kunz, Professor für praktische Theologie, betonte nun in Ittingen, dass die Kirchenordnung in erster Linie dazu dient, der bestehenden Kirche eine verlässliche Rechtsgestalt zu geben. Aber die Kirchenordnung habe auch bekenntnishafte Teile und enthalte Entwicklungsziele (vorbildlich etwa Art. 86 zum Gemeindeaufbau). Die Koppelung von Strukturfragen und Entwicklungszielen sei ein schwieriges und komplexes Geschäft!

Als Beispiel nannte Kunz die Suche  nach einer soliden Rechtsgestalt von neuen Gemeindetypen wie Fresh expressions. Er nahm die Mahnung von Karl Stengel (EKVZ-INFO 4/2017) auf: Fragen, die die gesamte Kirche und ihren Zusammenhalt betreffen, sind besser ohne Zeitdruck zu behandeln.

Mittel gezielter einsetzen
Eine Ordnung, so Kunz, «kann es nicht allen, die in der Kirche Mitglieder sind, Recht machen». Wenn aber dem Geist der Kirchenordnung entsprochen werden solle, müsse man allenfalls auch die Frage nach der Verwendung der Mittel mutiger diskutieren. Wie nachhaltig sind Regelungen für den Finanzfluss ohne inhaltliche Kriterien? Wäre es mit Blick auf die Chancen der Region sinnvoll, die Verantwortung der mittleren Ebene zu stärken?

Als Anregung gab Kunz der Evangelisch-kirchlichen Fraktion mit, die vorgesehene Zuweisung der Mittel daraufhin zu prüfen, wie mehr für Mission und Entwicklung und etwas weniger für die religiöse Versorgung – und möglichst wenig für die Verwaltung ausgegeben – werden kann.

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