Esther Straub zur Kirchenratspräsidentin gewählt

Erstmals bekommt die Zürcher reformierte Landeskirche eine Kirchenratspräsidentin. Die Synodalen wählten am 21. November die Stadtzürcher Pfarrerin Esther Straub in dieses Amt. Der Anspruch der Evangelisch-kirchlichen Fraktion auf einen zweiten Kirchenratssitz wurde abgeschmettert. In einer Resolution wendet sich die Synode gegen den Antisemitismus im Kanton.

Die Wahl von Esther Straub stand nach dem Rückzug von Sabrina Müller und Michel Müller nicht mehr in Frage. Sie bekam 100 der 113 massgeblichen Stimmen; die Synode gab grossen Applaus. In der Antrittsrede wertete Straub ihren Erfolg als Beleg dafür, dass die reformierte Kirche Frauen als Gesprächsparterinnen ernst nehme.

Das verdüsterte Umfeld sprach sie gleich an: dass die Landeskirche mehr Mitglieder verliert denn je und dass die Beiträge der Landeskirchen zum Wohl der Gesellschaft abnehmen. Dagegen gelte es anzugehen, sagte Esther Straub. Die Kirche müsse für die Menschen im Kanton wieder relevanter werden, auch für die Jungen. «Ich bin überzeugt, dass es uns braucht, dass unser Kanton auf die Kirche angewiesen ist.» In der Öffentlichkeit am meisten geschätzt wird laut einer neuen Studie die Seelsorge. Allein die Kirche könne sie bieten, sagte die Gewählte.

Seelsorge als Dienst der Kirche an der Gesellschaft: Esther Straub bei ihrer Antrittsrede.

Die Seelsorge werde von einer Gemeinschaft verantwortet, welche in einem Glauben wurzele. «Kirche ist Gemeinschaft … sie will als Gemeinschaft wirken.» Die Landeskirche sei rechtlich und theologisch als Körperschaft definiert; so sei sie weiterzubauen. «Es wartet viel Arbeit auf uns.»

Nach turbulenten Monaten …
Sollten die übrigen sechs Sitze wie bisher nach Fraktionsstärke vergeben werden? Zwei der vier Fraktionspräsidenten bekannten sich zur Konkordanz als grundlegend fürs vertrauensvolle Miteinander in der Synode. Christian Meier erklärte für die Evangelisch-kirchliche Fraktion (EKF), sie habe als kleinste Vertretung einen Kirchenrat gestellt. Neu zweitgrösste Fraktion, portiere sie –gemäss dem Prinzip der Doppelvertretung der drei stärksten Fraktionen – zwei Kandidaten und respektiere die Kandidaten der anderen Fraktionen. Manuel Amstutz von der Religiös-sozialen Fraktion (rsf) schloss sich dieser Linie an; er warnte davor, «Zwietracht zu säen». Die Synodalen sollten über ihren eigenen Schatten springen und die Chance nicht vergeben, «Eintracht zu schaffen».

Die Liberale Fraktion (LF) war noch von den Turbulenzen um die – endlich zurückgezogene – Kandidatur von Sabrina Müller geprägt; sie hatte im Sommer ihren bisherigen Kirchenrat Pfr. Andrea Bianca nicht mehr aufgestellt. So sprach die LF-Präsidentin Ruth Derrer Balladore bloss für sich selbst, als sie dazu aufrief, die Grösse der Fraktionen zu berücksichtigen und von ihnen wieder Vorgeschlagene nicht abzuwählen. Doch jeder Synodale sei frei zu wählen. Heiri Brändli, der neu den Synodalverein (SV) leitet, sprach hingegen von einer Persönlichkeitswahl. «Wir brauchen die besten Leute.» Die vier Bisherigen wolle man im Amt halten. Für seinen erfahrenen Fraktionskollegen Hannes Aeppli war bei umgekehrten Mehrheitsverhältnissen die bisherige Formel (2:2:2:1) nicht mehr anwendbar.

Der Kirchenrat vor der Leistung des Amtsgelübdes: Andrea Bianca, Margrit Hugentobler, Katharina Kull, Esther Straub, Dominik Zehnder, Bruno Kleeb und Eva Schwendimann.

… Konkordanz gebrochen
Während die EKF die von der LF und der rsf Portierten wählte, wurde ihr Kandidat Pfr. Franco Sorbara in den anderen Fraktionen nur von jedem dritten Synodalen auf den Wahlzettel geschrieben. So schaffte Andrea Bianca, der als Fraktionsloser intensiv für sich Werbung machte, die Wiederwahl knapp.

Bruno Kleeb (EKF) erzielte das Spitzenresultat: 112 von 117 Synodalen schrieben ihn auf. Katharina Kull (LF) erhielt 101, Margrit Hugentobler (SV) 95, Eva Schwendimann (rsf) 82, Dominik Zehnder (LF) 78, Andrea Bianca (61), Franco Sorbara (EKF) 59 Stimmen. Unter dem absoluten Mehr blieb Thomas Villwock (SV) mit 34 Stimmen.

Der EKF-Präsident Christian Meier wertete den Ausgang als Bruch der Konkordanz. «Die EKF wollte ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Die versammelte Synode will dies nicht.» Heiri Brändli, dessen Synodalverein zur kleinsten Fraktion geschrumpft ist, zeigte sich hingegen erfreut über Biancas Wiederwahl. «Wir haben einen Top-Kirchenrat.» Brändli wünschte dem Gremium «viel Glück, viel Spass und eine kleine Portion Durchhaltewillen».

Bruno Kleeb wurde mit dem besten Resultat im Amt bestätigt. Vizepräsident Michael Bänninger gratuliert.

Ausgeben, was man hat, später sparen
Zum Tagesbeginn hatte die Synode in der St. Jakobskirche einen Gottesdienst gefeiert, in dem Prof. Thomas Schlag von der Theologischen Fakultät über Nachfolge predigte. Im Rathaus Hard angekommen, winkten die Synodalen vor der Wahl das Budget 2024 ohne Diskussion der grossen Ausgabenposten durch. Die Gesamtkirchlichen Dienste (inkl. Spital- und Heimseelsorge) kosten wegen Stufenanstiegen, Teuerungsausgleich und individuellen Lohnsteigerungen über zwei Millionen mehr; der Personalaufwand steigt von 82 auf 85 Millionen Franken. (Für 2025 und 2027 hat der Kirchenrat einen Sparauftrag erteilt.)

Nach dem einstimmigen Plazet der Finanzkommission blieb auch im Plenum Kritik am Budget bis auf die Einwände von Adrian Honegger aus. Das Nettovermögen in der landeskirchlichen Zentralkasse, das Ende 2022 63,2 Mio. Franken betrug, soll 2024 durch einen Defizit-Haushalt erstmals leicht abgebaut werden. Doch die Kirchgemeinden werden erneut nicht entlastet und für 2028 stellte die zuständige Kirchenrätin Katharina Kull gar eine Erhöhung ihrer Beiträge in Aussicht. Eine bessere Finanzierung des Synodesekretariats (60’000 Franken) wurde mit einzelnen Gegenstimmen genehmigt. So passierte das Budget, das einen Aufwandüberschuss von 2,73 Mio. Franken vorsieht, mit einigen Enthaltungen.

Einsamer Mahner: Adrian Honegger zum Budget.

Der abtretende Kirchenratspräsident Michel Müller beantwortete Fragen von Julia Neuenschwander (EKF) nach den Angeboten der Landeskirche für junge Erwachsene. Yvonne Wildbolz (EKF) machte in einer Persönlichen Erklärung auf die Gewaltausbrüche gegen Christen im nordostindischen Gliedstaat Manipur aufmerksam.

Gegen den Judenhass im Kanton auftreten
Lange befasste sich die Synode mit dem Antisemitismus, der infolge von Israels Feldzug gegen die Hamas-Terroristen auch hierzulande aufflammt. Der Kirchenrat zeigte sich offen für ein Postulat von Christian Meier und der EKF «für eine Reformierte Kirche ohne Antisemitismus». Michel Müller wies auf die Kirchenordnung hin, welche die «gemeinsamen Wurzeln von Judentum und Christentum» festhält und die Pflege der Beziehungen zu den jüdischen Gemeinschaften im Kanton vorsieht (Art. 12,2). Christian Meier sagte, der Kirchenrat solle prüfen, «wie er in unserem kirchlichen Kontext dem Antisemitismus wehren kann». Mit 97 von 112 Stimmen wurde das Postulat überwiesen.

Vorstösse für den Kampf gegen Antisemitismus: Christian Meier, Präsident der Evangelisch-kirchlichen Fraktion.

Zudem lag der Synode ein Resolutionsentwurf von Christian Meier und Mitstreitern in der EKF vor. Er war nach der Kundgebung vom 2. November auf dem Münsterplatz erstellt worden. «Hier im Kanton haben wir die Verantwortung aufzustehen», sagte Meier. Die Resolution verzichte bewusst darauf, den Krieg zu beschreiben oder zu kommentieren.

Anderer Meinung waren einige Synodale der anderen Fraktionen. Sie hatten kurzfristig einen Alternativtext verfasst, der viel weiter ausholte. Die Sprecherin der Gruppe Jacqueline Sonego Mettner versuchte, ihre Version an die Stelle des Originals zu setzen. Die Synodalen lehnten dies abschnittweise ab, nachdem der rsf-Präsident Manuel Amstutzt gemahnt hatte, die beiden Weltgegenden nicht zu verquicken. «Wir müssen hier vor Ort um Frieden ringen.» Der Titel und die Anrede wurden geändert; der restliche ganze Text wurde gemäss Original gebilligt mit 80 zu 18 Stimmen bei 12 Enthaltungen.

Zwei Entwürfe für eine Resolution gegen Antisemitismus: Die Synode im Rathaus Hard.

Die Resolution hat den Wortlaut:

Antisemitismus betrifft uns alle

Geschätzte Bewohnerinnen und Bewohner des Kanton Zürich
Die Würde des Menschen ist unantastbar – heisst es programmatisch am Anfang unserer Kantonsverfassung. Viele Jüdinnen und Juden im Kanton Zürich mussten seit den Massakern in Israel jedoch schmerzlich an Leib und Seele erfahren, dass ihre Würde von hasserfüllten Leuten mit Wort und Tat missachtet wird. Sie werden auf offener Strasse aufgrund ihres Jüdischseins beschimpft, bespuckt oder anderweitig in ihrer Würde verletzt und mit antisemitischen Sprayereien konfrontiert.

Unsere Aufgabe ist es, solches Unrecht klar zu benennen und dagegen, ohne Wenn und Aber, anzukämpfen. Jeder von uns hat die Pflicht, Haltung einzunehmen, Widerspruch gegen Antisemitismus zu erheben und für die Würde unserer jüdischen Mitmenschen einzustehen.

Wir – die Synodalen der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich – bitten Sie, mit uns im Alltag gegen Antisemitismus und für die  Unantastbarkeit der Würde der Jüdinnen und Juden einzustehen.

Video der Synode

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