«Für eine grüne Kirche»

13. April 2022 – Die Zürcher Landeskirche soll ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten, welche der Regierungsrat für 2040 anstrebt, und selbst «Nettonull» erreichen. Die Kirchensynode billigte am 29. März eine Vorlage des Kirchenrats, die darauf abzielt. Mit 2,5 Millionen Franken will die Landeskirche darauf hinwirken, dass alle Kirchgemeinden sich mit dem Umweltmanagementsystem «Grüner Güggel» zertifizieren lassen. Zudem bewilligte die Synode Geld für eine neue Website und hielt eine Aussprache über RefLab.

Die Landeskirche soll zur Bewahrung der Schöpfung entschieden handeln, um die Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Die Frage ist laut Hanna Marty: «Auf welchem Weg erreichen wir das Ziel der Klimaneutralität am besten?» Der Kirchenrat will mit einer Informationskampagne und Beratung die Gemeinden animieren, ihre Emissionen zu erheben und zu senken, sich mit dem Umweltlabel «Grüner Güggel» zertifizieren zu lassen und klimaschonend zu handeln.

Hanna Marty sprach für die Mehrheit der Kommission, die die Vorlage des Kirchenrats beraten hatte. Sie lobte ihn dafür, dass er «einleuchtende und erfolgversprechende Massnahmen» aufzeige und bis 2025 nicht mit Zwang operiere, sondern motivieren wolle. Denn in den Kirchgemeinden gebe es viele, «die sich freiwillig, aus Überzeugung und gern für eine grüne Kirche engagieren». Dieses Potenzial lasse sich mit der Strategie des Kirchenrats am besten ausschöpfen, um «von unten her eine Nachhaltigkeitsbewegung in den Gemeinden zu erzeugen».

Eingriff in die Gemeindeautonomie «verhältnismässig»
Marty erwartet vom Zwischenbericht, den der Kirchenrat 2025 abliefern will, ein klares Fazit: «Spätestens dann muss sich zeigen, wo und wie das Thema grösserer Verbindlichkeit allenfalls angegangen werden muss.»

Das Zentrum Zürichs vom Üetliberg aus gesehen.

Dass der Kirchenrat auf den «Grünen Güggel» setzt und will, dass alle Kirchgemeinden Daten zu ihren Emissionen ins Grüne Datenkonto eintragen, begrüsse die Kommission.

Auch der mit dem Datenkonto verbundene Eingriff in die Gemeindeautonomie sei für die Mehrheit der Kommission verhältnismässig, sagte Marty. Nur so lasse sich später ein Absenkpfad definieren. So stehe die Mehrheit der Kommission hinter dem Rahmenkredit von 2,5 Mio. Franken für die nächsten fünf Jahre.

Marty erwartet vom Zwischenbericht, den der Kirchenrat 2025 abliefern will, ein klares Fazit: «Spätestens dann muss sich zeigen, wo und wie das Thema grösserer Verbindlichkeit allenfalls angegangen werden muss.» Dass der Kirchenrat auf den «Grünen Güggel» setzt und will, dass alle Kirchgemeinden Daten zu ihren Emissionen ins Grüne Datenkonto eintragen, begrüsse die Kommission.

Nettonull als Ziel: Kirchenrätin Esther Straub.

«Zügiger als der Kanton vorangehen»
Kirchenrätin Esther Straub, die die Vorlage ausgearbeitet hatte, betonte, die Landeskirche habe ihr Handeln nun konsequent an Kriterien der Nachhaltigkeit auszurichten. «Die Klimakrise erfordert dringliche Massnahmen», sagte die SP-Kantonsrätin vor den Synodalen. «Zu lange wurde auch in der Kirche gezögert und verharmlost.» Der Regierungsrat habe Nettonull 2040 als Ziel und wolle «mit Hochdruck im Gebäudesegment aktiv werden». Aus Gebäuden stamme ein Drittel der Treibhausgasemissionen. «Eventuell gelingt es der Kirche, bei den Gebäuden noch etwas zügiger als der Kanton voranzugehen.»

Daher habe man die Motion rascher als üblich bearbeitet. Eine Praktikantin habe bei Kirchgemeinden erhoben, was diese vom Grünen Güggel abhalte. (Erst eine Handvoll reformierte Kirchgemeinden hat sich zertifizieren lassen.)

Nun gehe es darum, das grosse lokal vorhandene Wissen «in den Prozess des Grünen Güggels einfliessen zu lassen und für kirchliche Massnahmen fruchtbar zu machen». Dafür sollen den Kirchgemeinden Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. «Eine Informationskampagne wird zusätzlichen Schub in die Gemeinden geben.»

Richtung Absenkpfad
Das Grüne Datenkonto (programmiert 2007) wolle der Kirchenrat «zügig zu einem smarten, schlagkräftigen Tool umarbeiten», sagte Esther Straub. Das bereits verwendete Immobilienprogramm Stratus solle einbezogen werden; es könne aber das Datenkonto nicht ersetzen. Im Grünen Güggel seien nicht nur Gebäude und Biodiversität im Fokus, sondern alle Bereiche.

Wenn 2025 das Total der Emissionen erhoben ist (die Kirchgemeinden sollen in diesem Jahr damit beginnen), will der Kirchenrat einen Absenkpfad definieren, um die Klimaneutralität anzusteuern.

Esther Straub: «Vielleicht benötigen wir dann tatsächlich eine Änderung der Kirchenordnung und selbstverständlich werden wir zu diesem Zeitpunkt auch eine Vernehmlassung machen, weil es dann wohl eventuell um Eingriffe in die Gemeindeautonomie geht … Das wird sicher stattfinden, wenn es etwas direktiver werden sollte.»

Forderte eine bessere Vorlage: Martin Breitenstein.

Minderheit: Die Kirchgemeinden jetzt befragen
Eben diese Vernehmlassung forderte Martin Breitenstein jetzt – als ersten Schritt. Namens der Kommissionsminderheit stellte der Synodale der Liberalen Fraktion daher einen konstruktiven Rückweisungsantrag: Der Kirchenrat solle jetzt – nicht erst 2025 – die Kirchgemeinden Stellung nehmen lassen und seine Vorlage im Gebäudebereich nachbessern.

Der Aufwand für den Grünen Güggel ist laut Breitenstein hoch. Viele Kirchgemeinden seien skeptisch, «weil sie fürchten, dass dieser Grüne Güggel zum galoppierenden Amtsschimmel wird».

Der Jurist des Kirchenrats, so Breitenstein, habe einen Paragrafen der Finanzverordnung, der dem Controlling dient, «aufgemotzt, um die Kirchgemeinden zu verpflichten, das Grüne Datenkonto zu führen, und zwar mit dem schon festgelegten Ziel, die landeskirchliche CO2-Bilanz auf einen Absenkpfad zu führen». Zusammen mit diesem Pfad solle dann die Verbindlichkeit von Massnahmen für sämtliche Kirchgemeinden festgelegt werden.

Mit Klimaschutz Glaubwürdigkeit zurückgewinnen: Tobias Adam.

Doch bereits jetzt werde «das Gesamtkonzept erlassen, das in ganz erhebliche Pflichten für die Kirchgemeinden münden wird», sagte Martin Breitenstein. Er hielt den grundlegenden Artikel 152 der Kirchenordnung dagegen, der den Gemeinden Autonomie zuspricht. Die der Kirchenordnung übergeordnete Kantonsverfassung sehe vor, «dass der Kanton die Gemeinden in Angelegenheiten, die ihre Autonomie betreffen, rechtzeitig anhört».

Im Blick auf die Immobilien regte Breitenstein an, das bereits genutzte Programm Stratus besser zu integrieren. Mit einer mittel- und langfristigen Investitionsplanung seien CO2-Reduktionen absehbar.

«Die Erde brennt»
Nach diesen drei Voten traten mehrere klimabewegte Synodale ans Mikrofon, namentlich Religiös-Soziale. «Die Erde brennt», rief Tobias Adam, das jüngste Mitglied der Synode. Die Klimakrise sei real; um der Glaubwürdigkeit der Kirche willen habe man diese Vorlage anzunehmen.

Daniel Oswald fand, die Vorlage gehe zu wenig weit. Er wandte sich gegen den Rückweisungsantrag; es gehe nun darum, Daten zu sammeln. Die Vorlage komme auch dem Frieden zugute. Matthias Dübendorfer imaginierte die nächste Gasrechnung für sein Pfarrhaus.

Jacqueline Sonego Mettner resümierte, der Grüne Güggel sei in Meilen mit einem extremen Aufwand verbunden gewesen. Doch habe die Kirchgemeinde immer ihrer Situation angepasste Massnahmen ergreifen können. Giorgio Girardet befand, Kirchen und Pfarrhäuser als sollten nicht als für Gemeinden identitätsstiftend überhöht werden.

«Der Grüne Güggel wird heute nicht aufgezwungen»
«Freiwilligkeit genügt bisweilen nicht», betonte Gina Schibler von den Liberalen. Es zähle jedes Jahr. Corinne Duc meinte, der Grüne Güggel biete zahlreiche Gelegenheiten, mit Mitgliedern in Kontakt zu kommen.

Heiri Brändli vom Synodalverein befand, trotz dem enormen administrativen Aufwand mache ein klares Zeichen nach aussen Sinn. «Der Grüne Güggel wird heute nicht aufgezwungen.» Monica Müller urteilte, ein gewisser Druck auf die Kirchgemeinden sei hilfreich. Von der Klimaentwicklung her bestehe sowieso ein «unglaublicher Termindruck».

Erinnerte an den Grundauftrag der Kirche: Yvonne Wildbolz.

Mehr Schaden als Nutzen?
Von der EKF sprach Hanspeter Friedli und forderte, Stratus besser einzubinden. Yvonne Wildbolz, die mit Martin Breitenstein den Rückweisungsantrag gestellt hatte, wies auf die unterschiedlichen Prägungen und Ziele der Kirchgemeinden hin. «Die Menschen auf Gott hinzuweisen, in einer Zeit der Gottvergessenheit», sei die wichtigste Aufgabe der Kirche. «Der verbreiteten Weltuntergangsstimmung sollte die Kirche mit Worten der Hoffnung begegnen und auch der jungen Generation Mut machen, das Leben zu wagen.»

Kirchenrat und Synode seien mitverantwortlich für das Klima des Zusammenwirkens in den Gemeinden, äusserte Wildbolz. «Ohne innere Überzeugung und intrinsische Motivation schadet ein letztlich von oben herab verordneter Grüner Güggel dem Gemeindeleben mehr, als er dem Umweltanliegen nützt.»

«Bald Last der Angestellten»
Dasselbe betonte Christian Meier. Er begründete, warum die Evangelisch-kirchliche Fraktion nach eingehender interner Diskussion die Vorlage ablehne. Die Autonomie der Kirchgemeinden werde übergangen. «Was heute als grosses Projekt der Freiwilligen in den Kirchgemeinden angepriesen wird, wird bald einmal zur Last der Angestellten werden.» Das Vorgehen verheisse «Widerstand und harzige Prozesse».

Sinnvoll wäre, so Christian Meier, «Zeit zu geben für vertiefte Beratung … und sorgfältige Einführung», auch angesichts der Komplexität historischer Bauten. Mit einer überarbeiteten Vorlage könne ein einfacherer Weg zur CO2-Reduktion eingeschlagen und durch ein partizipatives Vorgehen der Ausstoss schneller gesenkt werden.

Den Rückweisungsantrag lehnte die rsf (links der Mitte) geschlossen ab, die Liberalen (links) und der Synodalverein (rechts der Mitte) mit einigen Ja-Stimmen.

Der Rückweisungsantrag wurde mit 62 gegen 27 Stimmen (vor allem der EKF) und vier Enthaltungen abgelehnt. Die Vorlage ging in der Schlussabstimmung mit 76 Ja und 13 Nein bei vier Enthaltungen durch.

Was bringt RefLab der Kirche?
Die Synodalen hielten eine Aussprache zum landeskirchlichen Online-Angebot RefLab, das Anfang 2020 lanciert worden war. Ein grosses Team produziert mit siebenstelligem Aufwand Podcasts, Posts und Texte. Kirchenrat Andrea Bianca äusserte, die engagierten Kirchenmitglieder seien nicht das Zielpublikum. Anfragen und Kritik kamen von allen Seiten, einzelne Synodale lobten RefLab.

Seitens der EKF fragte Fabio Wüst, ob die Follower der Angebote Nachfolger Christi in den Kirchgemeinden werden. Jürg Fässler wünschte, dass diese das Knowhow des RefLab nutzen können. Viviane Baud befand, das Budget sei zu hoch angesichts der Tatsache, dass «gewisse Kirchgemeinden immer mehr unten durch müssen». Ein Teil des Geldes sollte für den Gemeindeaufbau vor Ort eingesetzt werden.

Gina Schibler

«Wir können mehr»
Gina Schibler (Liberale) äusserte, die drängenden Themen kämen zu wenig vor; manches sei harmlos. «Wir können mehr, nur wenn wir die Kraft der Gemeinschaft nutzen.» Für Ivan Walther sind die Beiträge nicht ausgewogen und manchmal elitär. «Wie gross ist die Verbundenheit mit der reformierten Tradition, unserem Erbe?»

«Manchmal ein wenig beliebig» bewertete Jacqueline Sonego Mettner (rsf) den Output von RefLab. Sein Umfeld empfinde ihn als «urban, woke und soft», berichtete Giorgio Girardet. «Die kerygmatische Flughöhe ist gewollt tief.»

Durch Frömmigkeit wollten die Macher nicht auffallen, eher «plaudernd uns daran erinnern, dass es uns noch gibt». Girardet ortete Engführungen (die Samenspende habe nicht in Frage gestellt werden können) und fragte, warum nicht auch Fromme mitreden. Dieter Graf vom Synodalverein wollte wissen, wo externe Beobachter RefLab sehen und woran die Macher ihren Erfolg messen.

Teure neue Website
Die Landeskirche soll eine neue Website erhalten. Heinrich Brändli von der vorberatenden Kommission unterstützte den Antrag des Kirchenrates. Kritik äusserte er an den hohen Kosten der Ausschreibung. Für die Erstellung der Website – vorgesehen 2023 – und ihre weitere Entwicklung sollen 600’000 Franken aufgewendet werden. Eingeschlossen ist ein Extranet für Kirchgemeinden.

Heinrich Brändli, Kommissionssprecher für die Website.

Patrick Werder (EKF) wünschte, dass Besucher geistliche Inhalte finden. Der Auftritt biete die Chance, «sich als Kirche von Jesus Christus mit einer Perspektive der Hoffnung zu profilieren». Grundbegriffe wie Beten, Glaube, Versöhnung und Frieden könnten frisch aufbereitet werden. Auf die Website gehörten auch Inhalte aus dem Reformationsjubiläum und von Zwinglis befreienden Impulsen, welche sich aus der Wiederentdeckung des Evangeliums ergaben.

EKF: Christian Meier übernimmt von Willi Honegger
Brigitte Gerber informierte die Synode über den Wechsel im Fraktionsvorsitz der EKF von Willi Honegger zu Christian Meier. Sie würdigte das 15-jährige herzhafte und prägende Engagement des Baumer Pfarrers im Plenum, im Synodebüro und in der Konferenz der Fraktionspräsidenten. Seit 2007 hatte die EKF einen Kirchenrat. Honegger bleibt Mitglied der Synode.

Christian Meier (rechts) und Willi Honegger Ende März 2022.

Die Synode wählte den Juristen Urs-Christoph Dieterle von der EKF in die Finanzkommission und den Thalwiler Pfarrer Arend Hoyer (rsf) als Ersatzdelegierten für die EKS-Synode. Vier Ersatzwahlen wurden erwahrt.

Ohne Gegenstimme genehmigte die Synode den Zusammenschluss der städtischen Kirchgemeinde Illnau-Effretikon und der Kleinstgemeinde Kyburg. Diese biete mit dem barocken Kirchenraum die Chance, einen anderen Stil zu pflegen, sagte Brigitte Henggeler von der GPK.

Bald gravierender Pfarrmangel
Der Kirchenrat beantwortete Fragen zum zunehmenden Pfarrermangel. Die Pensionierungen können in wenigen Jahren auch durch mehr Studierende (Quereinsteiger) nicht mehr aufgefangen werden. Oft werden Stellen in Teilzeit wiederbesetzt. Kirchenrat Andrea Bianca sprach von einem «ungebrochenen Trend zur Teilzeit». In der Deutschschweiz seien schon 70 Stellen unbesetzt und 50 Pensionierte seien tätig.

In den Spezialpfarrämtern sieht es etwas besser aus als in den Kirchgemeinden, doch viele Bewerber seien nicht geeignet. Bianca wandte sich gegen die verbreitete Neidkultur. Er habe sich fest vorgenommen, sich zu freuen an dem, was anderen Pfarrpersonen gelinge – «egal ob es mir passt oder ob ich es gleich machen würde». Nun sei ein «Kirchen-Geist und Anti-Pfarrmangel-Geist» zu kreieren.

Gegen die Neidkultur: Kirchenrat Andrea Bianca.

Den Kirchenrat später wählen
Eine Motion zur Stärkung der Bezirkskirchenpflegen wurde zurückgezogen; sie soll in geänderter Form eingereicht werden.

Zwei Motionen wurden überwiesen. Sie zielen darauf ab, dass die Wahl des Kirchenrats nicht mehr in der konstituierenden Sitzung der Synode stattfindet, sondern einige Monate oder zwei Jahre später. Dadurch sollen neue Synodale Gelegenheit haben, die Mitglieder des Kirchenrates besser kennenzulernen.

Kirchenrat Bernhard Egg äusserte sich zur Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine. Wer dies erwäge, solle überlegen, worauf er sich einlasse und ob er nachhaltig helfen könne. Auf ihrer Website führt die Landeskirche Angebote für Geflüchtete auf. «Wir alle sind betroffen, weil Gott nicht eingreift.»

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