Welches Gewicht haben künftig theologische und geistliche Erwägungen in der Leitung der Kirchgemeinde? Pfr. Christian Meier, Präsident der EKVZ, hat in der laufenden Debatte Stellung genommen. Im untenstehenden Beitrag, erschienen im EKVZ-INFO 2/2017 im Juli, gibt er zu bedenken, dass das Pfarramt dabei stark verändert wird. „Die Rolle des Pfarrers wird immer mehr auf die Handlungen im Sinne des Service Public der Kirche reduziert.“

Auf den Text reagierte im Herbst der Verband des Personals Zürcherischer Evangelisch-reformierter Kirchgemeindeverwaltungen VPK. Er betonte, die mit Leitung betrauten Personen bräuchten Rüstzeug in verschiedenen Bereichen (siehe unten).

Religion ist in der heutigen Gesellschaft weniger Institution, sondern vermehrt Erfahrung. Die Erneuerung der Kirche lässt sich nicht administrieren, sondern wahrnehmen. Es geht darum wahrzunehmen, was Gott wirken möchte, und gehorsam danach zu handeln. Aus diesem Grund ist die Veränderung der Führungsstruktur in der reformierten Kirche kritisch zu beobachten.

In der aktuellen Teilrevision der Kirchenordnung wird das Pfarramt stillschweigend und langsam verändert. Und die Rolle des Kirchgemeindeschreibers erlebt einen Aufschwung.

Es gilt auch selbstkritisch zu sein. Wir Pfarrpersonen haben zu dieser Veränderung beigetragen. In vielen theologischen Grabenkämpfen ging es nicht um ein Ringen für eine gemeinsame Lösung, sondern um Macht.

Als Pfarrpersonen definieren wir durch unser Handeln und durch unser Nicht-Handeln täglich den Pfarrberuf. Die Verfügbarkeit, die Bereitschaft, am Ort mitzuleben und Beziehungen einzugehen, ist m.E. ein wichtiger Anteil des Berufs. Abgrenzung, Beharren auf Bürozeiten und Standesdünkel vermitteln ein anderes Bild.

Künftig soll nur noch eine Pfarrperson Wohnsitzpflicht in der Kirchgemeinde haben (Art. 122 E-KO). Die Wohnsitzpflicht hat Vor- und Nachteile. Grundlegend bedeutet sie aber, dass Pfarrpersonen im Umfeld mitleben, in dem sie arbeiten. Diese natürlichen Begegnungen und der bewusste Entscheid, am örtlichen Leben teilzunehmen, ist für das Pfarramt ein Gewinn. Doch der Wert eines Pfarrhauses wird mehr monetär verstanden – als Immobilienwert – und weniger als Ort der Begegnung.

Mit der Teilrevision wird das Pfarramt stark verändert und auf die theologische Reflexion reduziert. Damit erfolgt Gemeindeleitung vermehrt durch Administration und weniger durch theologische Ausrichtung. Die professionalisierte Administration definiert den Pfarrberuf neu. Was über viele Jahre an Tradition und Rollenverständnis gereift ist, wird binnen kurzer Zeit neu interpretiert.

Die Rolle des Pfarrers wird immer mehr auf die Handlungen im Sinne des Service Public der Kirche reduziert. Dies geschieht, indem die Mitgliederzahl pro Pfarrer erhöht wird. Dadurch nimmt die Kasualarbeit prozentual zu, die pfarramtliche Tätigkeit neben dem Grundauftrag erhält weniger Aufmerksamkeit. Gemeindeaufbau und -leitung werden so indirekt gekürzt.

Mit grösseren Gemeinden kommen auch Verwaltungsstellen. Wird im Entwurf zur Teilrevision das Pfarramt dem Kirchgemeindeschreiber gegenübergestellt, fällt auf, wie wenig über dessen Tätigkeit und Verantwortlichkeit gesagt ist. Wird das Pfarramt auf seine theologische Reflexion (Art. 114,2.3 E-KO) fokussiert, ergibt dies vermehrte Kompetenzen in der Leitung für den Kirchgemeindeschreiber. Neben Personalführung wird er zunehmend in inhaltliche und Gemeindeaufbau-bezogene Fragen involviert (Art. 137 E-KO), obwohl oft eine theologische Qualifikation fehlt. Der Pfarrberuf ist an ein Ordinationsgelübde gebunden, beim Kirchgemeindeschreiber fehlt jegliche Anbindung an den kirchlichen Auftrag. Auf diesem Hintergrund wird Kirche fälschlicherweise als KMU verstanden.

Die aufstrebende Stellung des Kirchgemeindeschreibers entsteht durch grössere Gemeinden und den Hang zur Professionalisierung. Sein Hintergrund ist nicht die Ordination, sondern das Arbeitsrecht. In seiner Aufgabe, die Behörde zu entlasten, entwickelt sich schnell einmal eine neue Drehscheibe im kirchlichen Alltag. Kommunikationsflüsse werden durch die stetige Präsenz neu gelegt; das Pfarramt hinkt der Information nach.

Es darf nicht sein, dass die Leitungsfrage ungeklärt bleibt. Leitungsfunktionen und Kompetenzen müssen in den Kirchgemeinden durch eine bewusste Wahl geregelt werden können. Dem Pfarramt ist nicht nur die theologische Reflexion zuzusprechen, sondern eine Leitungsfunktion. Für grössere Pfarrteams bedeutet dies, dass eine Pfarrperson die Leitung übernimmt. Es gilt Abwehrreflexe gegenüber dem «Senior Pastor» abzulegen und förderliche Regelungen zu finden. In dieser Diskussion ist es auch wichtig, die Rolle des Dekans einzubringen und zu stärken. Das Dekanat kann vermitteln, klären und begleiten.

Pfr. Christian Meier, Gossau

Stellungnahme zum Artikel «Geld und Geist» im EKVZ-Info 2/2017  

Pfr. Christian Meier will in seinem Artikel die Veränderung der Führungsstruktur in der reformierten Kirche kritisch beobachten. Die Gemeindeleitung erfolge vermehrt durch Administration und weniger durch theologische Ausrichtung – aber weil die Kirchgemeindeschreiber im Gegensatz zum Pfarrberuf nicht an ein Ordinationsgelübde gebunden seien, fehle ihnen jegliche Anbindung an den kirchlichen Auftrag.

Wir Kirchgemeindeschreiber und Administrative Leiterinnen erleben es als verletzend, als säkulare Aufgaben-Erlediger und mit dem Etikett «Geld» abgestempelt zu werden. Sehr viele in Sekretariaten tätige Personen haben einen tiefen Glauben, verstehen sich als Glied am Leib Christi und stellen nicht nur ihre Zeit zur Verfügung, sondern noch viel mehr dazu. Hier sind Menschen am Werk, welche das Bild der Kirche mitprägen, unzählige Kontakte haben, oft schlichten müssen, Austritte abwenden können, Eltern von Kindern zur Teilnahme am kirchlichen Unterricht motivieren oder einfach auch Seelsorge unterschiedlichster Art erbringen.

Pfr. Meier moniert, dass Kirchgemeindeschreiber «neben der Personalführung zunehmend in inhaltliche und Gemeindeaufbau-bezogene Fragen involviert werden». Wer hilft, die unterschiedlichen Zielgruppen über ihre je eigenen Kommunikationskanäle bestmöglich zu erreichen? Und wer bereitet die Entscheidungsgrundlagen auf, wenn gespart werden muss? Wer ist mit den komplexen Gesetzen, Verordnungen, Reglementen, Weisungen vertraut, die uns vorgegeben werden und im Arbeitsalltag beachtet werden müssen? Und wer kümmert sich um die Liegenschaften, damit auch in Zukunft angemessene Räume für Gottesdienste, Veranstaltungen und Begegnungen zur Verfügung stehen? Dies hat alles mit Inhalt und Gemeindeaufbau zu tun!

Wir stimmen Christian Meier zu, dass «Leitungsfunktionen und Kompetenzen in den Kirchgemeinden durch eine bewusste Wahl geregelt werden». Die Forderung, «dem Pfarramt nicht nur die theologische Reflexion zuzusprechen, sondern eine Leitungsfunktion», muss relativiert werden: Eine Leitungsfunktion setzt voraus, dass die damit betrauten Personen über das in verschiedenen Fachgebieten nötige Rüstzeug verfügen und bereit sind, in interdisziplinären Teams und in gegenseitiger Wertschätzung zu wirken – eine Haltung, die auch in der Kirche der Zukunft unabdingbar sein wird.

Für den Vorstand des Verbandes des Personals Zürcherisch Evangelisch-reformierter Kirchgemeinden:
Ueli Spörri, Adm. Leiter Kirchgemeinde Küsnacht

 

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