EKVZ zur Teilrevision: Für eine Kirche mit Spielraum

29. Mai 2017 – Der Kirchenrat überbordet bei der Teilrevision der Kirchenordnung. Diese soll viel umfangreicher werden. Brauchen die Kirchgemeinden diese Regelungsdichte? Welche Zentralisierung von Kompetenzen macht Sinn? In der laufenden Vernehmlassung sind die Kirchenpflegen und andere Adressaten gefragt. Hier eine erste Analyse der EKVZ. Wir rufen dazu auf, zum Ganzen und zu jedem Artikel, der Bedenken auslöst, kritisch Stellung zu nehmen.

Die Zürcher Kirchenordnung von 2009 soll einer ersten grösseren Revision unterzogen werden. Der Kirchenrat sieht zahlreiche Änderungen vor. Ein Teil ergibt sich aus der praktischen Umsetzung und ist unbestritten. Sinnvoll erscheint zum Beispiel die neue Regelung für die Bestätigungswahl der Pfarrpersonen (E-Art. 125; die folgenden Zahlen beziehen sich auf den Entwurf des Kirchenrates).

Folgendes fällt auf:
1. Die Service-Public-Mentalität gewinnt die Oberhand. Die theologische bzw. geistliche Leitung in den Kirchgemeinden wird geschwächt – stattdessen wird die Admini- stration ausgebaut und «professionalisiert».
2. Die Gemeindeautonomie wird vielfach eingeschränkt, das Gemeindeleben uniformiert. Die Zentralisierung verstärkt sich – zum Kirchenrat und zu den Gesamtkirchlichen Diensten. Viele Entscheide werden dem Kirchenrat überlassen.
3. Die Verrechtlichung nimmt weiter zu und die Regelungen werden immer detaillierter – von einer Vereinfachung und einem Abbau der Regelungsdichte kann keine Rede sein. Dies wird zu Lasten der Freiwilligenarbeit gehen und zu einer weitgehenden Administrierung bzw. Professionalisierung führen.
4. Viele Details werden neu geregelt statt der Praxis überlassen, oder dies geschieht sehr ausführlich (statt auf analoge Regelungen zu verweisen).
5. Besonders unbefriedigend ist, dass viele Änderungen der Stossrichtung des Projektes KirchGemeindePlus entsprechen und dessen Zielsetzungen vorwegnehmen – bevor die Ergebnisse des diesbezüglichen Vernehmlassungsverfahrens diskutiert sind. So wird davon ausgegangen, dass es nur noch grosse Kirchgemeinden geben darf (z.B. Erläuterungen zu 172,1). Und: Kirchgemeinden sollen zu Fusionen und Kooperation gezwungen werden können (151c; 175a).
6. Die Detailregelungen nehmen der Kirchenordnung Kompaktheit und Aussagekraft.

Dies soll an Hand einzelner Bestimmungen gezeigt werden; die Beispiele sind nicht abschliessend:

1. Service-Public-Mentalität
Sie zeigt sich vor allem bei den Regelungen fürs Pfarramt (Aufweichen der Wohnsitzpflicht, 122). Zwar muss in jedem Fall bzw. jeder Kirchgemeinde geprüft werden, wie sich die Stellenzuteilung der Pfarrstellen (116ff) konkret auswirkt, ebenso die Abstufung nach oben. Kleine Kirchgemeinden (weniger als 1500 Mitglieder) trifft es aber besonders, wie der Kirchenrat auf Seite 6 selber schreibt.

Die Einteilung ist starr, die Stufen sind gross. Berücksichtigt wird (bloss) ein Basisangebot im Sinne des Service Public. Die Attraktivität einer Kirchgemeinde (aktive Personen, Angebot) spielt kaum eine Rolle. Und zudem: sie zu berücksichtigen liegt im Ermessen des Kirchenrates, denn statistische Daten fehlen bekanntlich weitgehend.
Zu schaffen ist stattdessen ein umfassender Experimentierartikel. Versuche (neue Formen, Projekte verschiedenster Art ) in aktiven Kirchgemeinden und übergemeindlich sind zu ermöglichen und zu unterstützen (lebensweltliche Formen, sog. Profilgemeinden, Projekte im Rahmen von fresh expression of church, Vorhaben von Jugendkirchen, Formen der Zusammenarbeit mit Migrationskirchen, Stadtkloster usw.). Denn der geltende Art. 248 KO ist zu wenig umfassend formuliert.

Der Einfluss der Pfarrpersonen auf die Kirchenpflege soll kleiner werden (88,2; 113; 162). Gleichzeitig wird die Verwaltung gestärkt, indem der Kirchgemeindeschreiber Führungsaufgaben erhalten und an den Kirchenpflegesitzungen mit Antragsrecht teilnehmen soll (137a; 162). Die theologische bzw. geistliche Leitung wird damit geschwächt.

2. Einschränkung der Gemeindeautonomie
· Alle Kirchgemeinden haben die Zeitschrift «reformiert.» ihren Mitgliedern gratis bzw. auf ihre Kosten abzugeben (91,2).
· Kirchgemeinden sollen zu Fusionen gezwungen werden können (151c).
· Es wird geregelt, was in den Zusammenschlussverträgen enthalten sein muss (151a).
· Der Kirchenrat erlässt Richtlinien zu kirchlichen Handlungen für Nicht-Mitglieder (30,3).
· Die maximale Mitgliederzahl der Kirchenpflege wird vorgeschrieben (159,2).

3. Zentralisierung
Der Kirchenrat und die Gesamtkirchlichen Dienste (GKD) erhalten mehr Kompetenzen. Die GKD können ihren Auftrag selber definieren bzw. ausweiten. Die Finanzkompetenzen des Kirchenrats sollen massiv erhöht werden (221). Viele Entscheide werden ihm überlassen:
· Der Kirchenrat darf «verbindliche Richtlinien» über die kirchliche Vielfalt (!), «Empfehlungen» zur Organisation und über die Leitung der Gemeinden erlassen (152,3). Er «erlässt Vorschriften für Bau, Unterhalt und Nutzung kirchlicher Liegenschaften sowie für den Raumbedarf der Kirchgemeinden» (243,3)!
· Die GKD sollen adminstrative Aufgaben übernehmen können (142,3), statt dass dies die Gemeinden selber tun bzw. auslagern (allenfalls an Private). Der Kirchenrat kann selber Firmen gründen (142,4).
· GKD-Mitarbeitenden werden Bereiche zur selbständigen Besorgung übertragen (223,1).
· Kirchenpfleger von Gemeinden und Bezirken fallen in der Kirchensynode neu auch unter die 50-Prozent-Limite, die bisher für Pfarrpersonen und Angestellte galt (210,3).

4. Verrechtlichung
Die Regelungen werden detaillierter, die Ordnung unübersichtlich – von Vereinfachung und Abbau der Regelungsdichte kann keine Rede sein:
· Die Bestimmungen über die Aufsicht (148a.c) sind mehr als ausführlich und könnten für eine Landespolizei geschrieben worden sein …
· Der Erlass einer Pfarrdienstordnung wird grösseren Kirchgemeinden vorgeschrieben (115), eine Geschäftsordnung den Bezirkskirchenpflegen (184).
· Alle Mitglieder der Landeskirche können in einem Register erfasst werden. Sind dafür alle in 28a aufgeführten Daten zu erheben? Wollen wir diesen bürokratischen Aufwand – und gläserne Mitglieder?

5. Regelungsdichte
Viele Details werden neu geregelt (statt der Praxis überlassen) oder dies geschieht sehr ausführlich:
· Taufen, Trauungen und Abdankungen ausserhalb von Kirche bzw. Gottesdienst (46,2; 59,1; 62,1)
· eigene Kapitel für Kirchenmusik und Katechetik (134,1; 200a.b)
· Zusammenarbeit, Antragsrecht usw. im Pfarrkonvent (114)
· komplizierte Vorschriften zu Quoren (158e)
· Pflicht zu einem schriftlichen Jahresbericht der Kirchgemeinde (165).

Die Frist zum Einreichen der Stellungnahmen ist der 12. Juli 2017. Der Kirchenrat schreibt: «Geben Sie zu einem Artikel keine Stellungnahme ab, so gilt dies als grundsätzliche Zustimmung.»
Die EKVZ lädt dazu ein, bei allen Artikeln Kritik anzumelden, die die Kirchgemeinden einengen, ihnen unnötig dichte Regelungen vorschreiben und Kreativität einschnüren. Bringen Sie Ihre Vorbehalte, Fragen und Ablehnung jetzt zum Ausdruck!

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