Grossgemeinden leiten – aber wie?

12. Januar 2017 – Grösse allein schafft nicht Vielfalt. In Zusammenschlüssen enstandene Gemeinden müssen Freiräume für Kreative schaffen – sonst werden Verwalter dominieren. Eine Aussprache der Kirchensynode am 10. Januar zeigte Zündstoff in den Entwürfen des Kirchenrats für die interne Organisation der geplanten Grossgemeinden. Die Synodalen lehnten Entschuldungsbeiträge an Kirchgemeinden vorerst ab. Sie diskutierten zudem über die Zeitung «reformiert.».

Die Zeitung wird seit 2008 von einem Trägerverein mit Vertretern von Pfarrverein, Kirchenrat und Synode herausgegeben (zuvor: Kirchenbote). Die Motion zielt darauf, dass das Blatt künftig als Mitgliederzeitung der Landeskirche grundsätzlich allen reformierten Haushalten in den Kirchgemeinden zugestellt wird. Bisher entscheiden die Kirchgemeinden selbst, ob sie die Abos flächendeckend bezahlen; etwa ein Dutzend von 170 tut dies nicht. Kirchenrat Andrea Bianca begrüsste den Vorstoss. Der behördliche und pfarramtliche Blick müsse sich weiten – «hin zu einer Anbindung von passiven und distanzierten Mitgliedern».

Mitgliederzeitung für alle Haushalte?

Auf prinzipielle Opposition stiess die Motion in der Evangelisch-kirchlichen Fraktion. Laut Michael Wiesmann ist sie nicht mit der Gemeindeautonomie zu vereinbaren. Derart auf ein Printmedium zu setzen im Zeitalter von Internet, Social Media und zunehmend personalisiertem Newsfeed, sei zudem «komplett anachronistisch». Der Pfarrer von Uetikon am See sagte, eine Umfrage in seiner Kirchgemeinde habe ergeben, dass weniger als zehn Prozent der Haushalte die Zeitung zu erhalten wünschten. Pfr. Willi Honegger von Bauma, wo die Kirchenpflege wie in anderen Oberländer Gemeinden ein eigenes Blatt herausgibt, fragte die Motionäre: «Wollen Sie denn alle diese Leute wieder in Ihre Leserschaft hineinzwingen?» Er kritisierte den «säkularen Geist» des Blattes.

Adrian Honegger, für die liberale Synodefraktion im Vorstand des Trägervereins aktiv, bemerkte, die Finanzierung sei unklar, und deutete auf eine Unstimmigkeit: «reformiert. ist entweder die Zeitung der Landeskirche und ihr Sprachrohr – oder die Redaktion ist unabhängig und die Verantwortung einem Trägerverein übertragen.» Tatsächlich wäre laut Motionstext die Unabhängigkeit der Redaktion zu gewährleisten, wenn reformiert. die Zeitung der Landeskirche würde. Mit 68 gegen 25 Stimmen überwiesen die Synodalen den Vorstoss trotzdem.

Was ist besser: Geschäftsleitung oder Kommissionen?

Der Kirchenrat strebt mit KirchGemeindePlus Gross- und Regionalgemeinden mit teils über 10‘000 Mitgliedern an. Für ihre Leitung erarbeitet er Organisationsmodelle. Zwei Entwürfe für die Ebene zwischen Kirchenpflege und (örtlichen oder aufgabenspezifischen) Teams wurden im November veröffentlicht; sie bildeten den Gegenstand einer Aussprache der Synodalen. Die zwei Varianten: Soll eine Geschäftsleitung die Aktivitäten koordinieren und Mitarbeitende führen oder sind von Kirchenpflegern geleitete Kommissionen für die Bereiche verantwortlich?

In der Aussprache deponierten zuerst Stadtzürcher Synodale reihenweise ihre Anliegen – obwohl die geplante Stadtkirche mit ihrer Grösse von über 80‘000 Mitgliedern ein Sonderfall ist, der ein Parlament erfordert.

Grösser – auch vielfältiger?

Theddy Probst, Pfarrer in Wildberg, vermisste Räume für kreative Persönlichkeiten; die Modelle deuteten auf ein Übergewicht der Verwaltung hin. Philipp Nussbaumer forderte, sie müssten den Freiraum schaffen «für vielfältige und profilierte Ausdrucksformen des Glaubens und unterschiedliche Formen der Gemeinschaft». Ob Kirchenpflegen übergeführt werden könnten in Kommissionen für kirchliche Orte? Jacqueline Sonego Mettner zweifelt daran, dass grössere Kirchgemeinden eine grössere Vielfalt garantieren.

Mehrere Synodale stellten die Frage, wie das Miteinander von Pfarrpersonen und Nicht-Theologen (sog. Zuordnungsmodell) künftig, in viel grösseren Gebilden, gestaltet werden kann. Dass die Vertretung der übrigen Mitarbeitenden nur bei sie betreffenden Traktanden in der Kirchenpflege anwesend sein soll, wurde kritisiert. Brigitte Henggeler fand, die Gemeindekonventsleitung müsse «spüren, wie die Kirchenpflege tickt».

Nicht alle über denselben Leisten schlagen

Roman Baur forderte, Stadt-, Agglomerations- und Landgemeinden getrennt zu behandeln, und riet zu einfachen Regelungen. Lukas Maurer meldete Bedenken zur Kompetenzfülle des Geschäftsleiters an. Simone Schädler plädierte für ein vereinfachtes Modell, in dem der Kirchgemeindepräsident mit den Bereichsleitern (darunter der leitende Pfarrer) berät und entscheidet.

Laut Bernhard Neyer neigen Kommissionen nicht dazu, sich miteinander zu vernetzen; dies führe zum «Gärtchendenken». Er bezweifelte, dass ein Geschäftsleiter durch den Kirchgemeindepräsidenten «auch fachlich geführt werden kann». Weiter schlug er eine kollektive Geschäftsleitung von 3-5 Personen mit Antragsrecht an die Kirchenpflege vor – eine Geschäftsleitung durch eine Person erachte er als gefährlich.

Vorerst keine Entschuldungsbeiträge

Wie soll Kirchgemeinden, die sich zusammenschliessen, geholfen werden? Der Kirchenrat hatte der Kirchensynode im Herbst 2016 beantragt, für Beratungen und Projektleitungen den Kirchgemeinden 2017 bis zu 750‘000 Franken auszurichten. Er folgte dann aber am 10. Januar dem Antrag ihrer Finanzkommission, stattdessen für solche Kosten 2017-2023 total 2,5 Millionen Franken bereitzustellen.

Zudem lag der Kirchensynode der Antrag des Kirchenrats auf Entschuldungsbeiträge vor: Um besser fusionieren zu können, sollten 13 finanzschwache Kirchgemeinden insgesamt 3,3 Millionen erhalten. Die Finanzkommission beantragte Ablehnung. Karl Stengel wandte ein, die Rechtsgrundlage fehle; es sei unseriös, diese Beiträge «aus dem hohlen Bauch zu bewilligen». Andere Synodale fanden, Kirchgemeinden, die letzthin keine Renovation durchgeführt und ihre Finanzen so geschont hätten, würden benachteiligt. Der Antrag wurde deutlich abgelehnt.

Eingangs hatte der Synodepräsident Kurt Stäheli dazu aufgerufen, angesichts von Terror und grösserer Unsicherheit «unter dem Dach der Kirche eine Gemeinschaft zu bilden, die für Frieden einstehen will». Ob die Beratungen das Miteinander stärkten, wird sich an ihren Früchten zeigen.

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  • Die in der Schweiz aus der Arbeit der Evangelisch-methodistischen Kirche entstandenen Diakoniewerke sind heute fur gewöhnlich juristisch selbständig, werden aber von den Gemeinden finanziell und personell stark unterstützt. Im Gegensatz zu fast allen anderen Kirchen gilt ihr Engagement sowohl der Oekumene aller Kirchen wie auch der Oekumene unter den evangelischen Freikirchen und in der evangelischen Allianz.

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