Finden Taufen, Trauungen und Abdankungen der Zürcher Kirche bisher in der Regel in der Kirche statt, hält die Kirchenordnung neu explizit Ausnahmen fest:  Der Pfarrer kann «die Taufe in begründeten Fällen ausserhalb des Gemeindegottesdienstes vornehmen», die Pfarrerin «kann die Trauung auf Anfrage des Brautpaars an einem anderen Ort durchführen». Und für den Ort der Abdankung können der Wunsch des Verstorbenen und die Anfrage der Angehörigen berücksichtigt werden. Weiter will die Landeskirche ein Mitgliederregister erstellen. Am 3. April, dem ersten von vier Synodentagen zur Teilrevision der Kirchenordnung, wurden die Spannungen deutlich, unter denen sie beraten wird.

In Feiern kommen viele mit der Kirche in Kontakt, die sich sonst von ihr fernhalten. Was bedeuten die gegen erheblichen Widerstand beschlossenen Änderungen in der Kirchenordnung? In der Beratung der drei Artikel, die den Ort von Taufe, Trauung und Abdankung regeln, lag der Fokus auf der Kundennähe, der Stellung des Pfarrers und den Unterschieden zwischen Gemeinden. Fast geschlossen folgten die Synodalen der Religiös-sozialen Fraktion und des Synodalvereins den Anträgen des Kirchenrates, welche von Andrea Bianca mit Verve vertreten wurden.

Die vorberatende Kommission unter Jacqueline Sonego Mettner war bei den drei Artikeln 5:4 gespalten. Die Minderheit wollte bei der bisherigen Regelung des Taufortes bleiben («in der Regel in einem Gemeindegottesdienst»). Franco Sorbara forderte, vor einer Änderung die Bedeutung der Taufe theologisch zu diskutieren. Zahlreiche Kirchgemeinden hätten sich in der Vernehmlassung gegen eine Änderung ausgesprochen; dies sei ernst zu nehmen. Welche Gründe die Ausnahme zu einer begründeten Ausnahme machen, sei nicht klar.

Die Maxime von Montesquieu («Wenn es nicht nötig ist, ein Gesetz zu machen, ist es nötig, kein Gesetz zu machen») wurde von Karl Stengel angeführt. Michael Wiesmann wollte die Gründe auf «seelsorgliche» beschränkt haben – dagegen äusserte Kirchenrat Andrea Bianca, es gebe auch theologische Gründe.

Pfr. Ivan Walther votierte für die Beibehaltung der bisherigen Regelungen.

Taufe – auch privat?
Im Verhältnis 3:1 sprachen sich die Synodalen für die Änderung aus. Der Ort für das Sakrament der Taufe wird dadurch in der Zürcher Kirche, die bislang die Präsenz der Gottesdienstgemeinde betont hatte, dem Entscheid des Pfarrers überlassen – wenn Taufeltern Vorbehalte oder Spezial-Wünsche haben. Ob der Pfarrer dadurch unter Begründungsdruck kommt, wurde nicht ausgelotet. Willi Honegger äusserte die Sorge, dass die Tradition sich auflöst. Gerade für distanzierte Mitglieder sei «der Ort der Taufe wichtiger, als man gemeinhin annimmt».

Dagegen wertete es Andrea Bianca positiv, dass sich die Kirche auf dem religiösen Markt flexibel zeige (angesichts der Konkurrenz durch Ritualanbieter): «Marketing – warum nicht, wenn es ein anderes Wort ist für Mission?» Weil Fragen zur Taufe nicht vertieft besprochen wurden, reichte die Evangelisch-kirchliche Fraktion eine Interpellation ein.

In der Kirche – auf Wunsch anderswo
In ähnlichen Bahnen verliefen die Debatten zu Trauung und Abdankung. Die reformierte Kirche sei nicht an heilige Orte gebunden, sagte Andrea Bianca mit Verweis auf den Rückgang kirchlicher Trauungen – es sei «fatal», wenn die Pfarrperson nicht dahin gehe, wo das Brautpaar es wünsche. Mit der Neuerung würden die Leute ernst genommen.

Ivan Walther, Sprecher der Kommissionsminderheit, bestritt dies. Ausnahmen seien schon heute möglich. Und die grosse Mehrheit der Paare wünsche explizit die Trauung in der Kirche. Mit der neuen Regelung komme der Pfarrer bei Spezialwünschen unter Druck. Zudem hätten sich viel mehr Kirchgemeinden gegen als für die Änderung ausgesprochen.

Walther zitierte die Stellungnahme der Theologischen Fakultät: neue Regelungen zum Ort der Kasualien seien «dringend diskussionsbedürftig». Neue Probleme bei Trauungen brauche die Kirche angesichts vieler anderer Baustellen nicht. Nach kurzer Debatte stimmten die Synodalen im Verhältnis 2:1 der Änderung zu.

Dasselbe Ergebnis – mit einigen Gegenstimmen mehr – resultierte bei der Abdankung. Neu findet sich in Art. 62,1 der Satz: «Die Pfarrerin oder der Pfarrer kann auf Wunsch der verstorbenen Person oder auf Anfrage der Angehörigen die Abdankungen an einem anderen Ort durchführen.»

Unter Zeitdruck
Die Unruhe, die in der Zürcher Landeskirche herrscht, zeigte sich in der Eintretensdebatte. GPK-Präsident Bruno Kleeb kritisierte, die Teilrevision der Kirchenordnung geschehe unter dem «Zeitdruckdiktat» des Zusammenschlusses in Zürich. Aus Sicht der GPK sei das Vorgehen des Kirchenrats «der Sache nicht angemessen und schon fast unseriös».

Die Liberale Fraktion deckte beide Pole ab. «Wir sind landauf landab gut unterwegs», gab sich Ruth Derrer Balladore aus Zürich wohlgemut. Der Weinländer Kurt Stäheli tat seine Unzufriedenheit kund. Der Kirchenrat verfolge nach wie vor das Ziel grösserer Gemeinden durch Fusion. Dies werde zu einem weiteren Mitglieder- und Ansehensverlust der Landeskirche führen.

Willi Honegger von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion EKF schloss an Stäheli an mit dem Wunsch, die Vorlage aufzuteilen. Mit dem grossen Paket gefährde der Kirchenrat das Inkrafttreten der für die Stadtkirche Zürich grundlegenden Bestimmungen. Stähelis Antrag, alle jene Artikel vorzuziehen, über welche die reformierten Stimmbürger abstimmen müssen, wurde abgelehnt.

Revision ohne Hoffnung
Nach dem Eintreten kam die von der Kommission gewünschte Grundsatzdebatte nicht in Gang. Willi Honegger stellte klar, dass die EKF eine hoffnungsvollere Revision erwartet hatte. «Wo sind die offenen Fenster für eine zukünftige Gestalt unserer Kirche?» Impulse zur Überwindung der territorialen Fixierung, für mehr Beteiligung und kreative Finanzierungen fehlten.

Honegger vermisste Anstösse zur Profilierung der Kirche «als Gemeinde Jesu Christi, als wanderndes Gottesvolk, das nicht nur im Hier und Jetzt, sondern auch im zukünftigen Reich Gottes beheimatet ist». Wenn der althergebrachte Zustand der Landeskirche als «staatsnahe Körperschaft» verlängert werde, würden die gesellschaftlichen und demografischen Grundlagen dafür zunehmend brüchig. «Nur in minimalsten Schrittlein will man von der Fiktion einer flächendeckenden Landeskirche Abschied.» Es müsse doch möglich sein, neue Wege zu gehen.

Die Reformierten sollten dies, so Honegger, tun «in froher Gewissheit: Das Evangelium ist eine Kraft Gottes, die auch eine kleiner werdende Schar von Menschen zu einer profilierten und lebendigen Kirche formt, die der säkularen Hoffnungslosigkeit ermutigend». Die noch bestehenden staatlichen und finanziellen Privilegien sind laut Willi Honegger nicht identitätsstiftend für die Landeskirche. «Versteifen wir uns auf sie, erschweren sie es sogar, im gegenwärtig völlig veränderten Umfeld unsere Identität neu zu finden.»

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