Kirchgemeinden werden nicht entlastet

Das exorbitante Eigenkapital der Landeskirche, Folge der Überschüsse der letzten Jahre, gab in der Kirchensynode am 26. November zu reden. Ihre Finanzkommission wollte den Kirchgemeinden leicht ermässigte Beiträge gewähren. Einmal mehr scheiterte der Antrag in der Budgetdebatte. – Unter dem Bericht ein Kommentar am Jahresende 2024.

Der Kirchenrat budgetierte für die landeskirchliche Zentralkasse 2025 einen Gesamtaufwand von 107 Mio. Franken und einen Ertragsüberschuss von 535’300 Franken. Die Vorlage war im Ganzen unbestritten. Begrüsst wurde, dass in den Gesamtkirchlichen Diensten beim Personal- wie auch beim Sachaufwand 5% gegenüber der Rechnung 2022 eingespart werden – ein erster Sparschritt, dem 2027 ein weiterer folgen soll. (Immerhin wurden individuelle Lohnmassnahmen in der Höhe von 1,2 % der Lohnsumme eingestellt.)

Was die Zentralkasse nicht braucht

Die Kirchgemeinden sollen zum Aufwand der Zentralkasse knapp 70 Millionen beitragen. Die Finanzkommission beantragte, sie um rund 2.24 Mio. Franken zu entlasten, durch eine Senkung des Beitragssatzes von 3.1 auf 3.0. Sein Zweck, so die Präsidentin Bettina Diener, «ist die Deckung des tatsächlichen Bedarfs der Zentralkasse, nicht das langfristige Anhäufen von Überschüssen». Ein Ausgabenüberschuss wäre aufgrund des angehäuften Eigenkapitals von über 70 Mio. Franken sehr gut vertretbar. Und die «sehr angespannten Gemeindebudgets» würden entlastet. Die Gemeinden hätten so «zusätzlichen Spielraum» für wichtige Projekte – und der Schritt sei möglich, «ohne die Stabilität der Zentralkasse zu gefährden».

Die angespannten Budgets von Kirchgemeinden berücksichtigen: Bettina Diener, Präsidentin der Finanzkommission, begründet den Antrag zur Senkung des Beitragssatzes.

Kirchenrätin Katharina Kull sagte, eine Senkung des Beitragssatzes für 2025 würde kleineren Gemeinden nicht viel bringen. Und die Zentralkasse würde in den Folgejahren keine Überschüsse mehr aufweisen.

«Den Gemeinden wird mehr Geld als nötig abgenommen»

Adrian Honegger von der Liberalen Fraktion fand eben dies sinnvoll: «Es kann nicht sein, dass weiterhin Eigenkapital angehäuft und den Gemeinden mehr Geld als nötig abgenommen wird.» Er kritisierte die hohen Vermögensverwaltungskosten für das 25-Millionen-Portefeuille.

Heiri Brändli, Präsident des Synodalvereins, hinterfragte angesichts des Personalaufwands von 85 Mio. Franken die Menge der Stellen in den Gesamtkirchlichen Diensten. Werde ihr Output in den Gemeinden wahrgenommen? Und: Könne es sich die Landeskirche leisten, jedes Jahr mit dem Stufenanstieg ihren Pfarrpersonen mehr Lohn zu gewähren? Brändli regte ein neues Lohnsystem an. Renato Pfeffer, Präsident der religiös-sozialen Fraktion (rsf), fand hingegen, eine «symbolische Kürzung» des Beitragssatzes bringe manchen Kirchgemeinden wenig; andere hätten auch so genug Mittel. Daher solle die Synode bei dem Beitragssatz 3.1 bleiben.

Den Kirchgemeinden nicht mehr nehmen als nötig: Adrian Honegger.

Nach einer Debatte über die Unterstützung von Migrationskirchen stimmten die Synodalen ab. Weil die rsf fast geschlossen für 3.1 stimmte, wurde mit 53 zu 51 Stimmen bei 5 Enthaltungen entschieden, die Kirchgemeinden nicht zu entlasten. In der Schlussabstimmung verweigerten daher 12 der anwesenden 109 Synodalen dem Budget ihre Zustimmung.

Keine Amtszeitbeschränkung für Kirchenräte

Soll die Amtszeit von Kirchenräten auf zwölf Jahre beschränkt werden? Die Synode diskutierte eine Motion von Peter Nater, der argumentierte, ein «zu langes Verharren in Führungsfunktionen» bringe Nachteile mit sich. Von Kirchenrat und Synodalen wurde dies in Abrede gestellt. Die Synodalen könnten alle vier Jahre Kirchenräte abwählen, sagte Willi Honegger von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion (EKF). Er warnte vor einer «Selbstverstümmelung der Synode». Erfahrung sei nützlich, erzwungene Abgänge nicht erwünscht. Die Kirchensynode lehnte die Motion mit grossem Mehr ab.

Erfahrung hat ihren Wert: Willi Honegger wendet sich gegen die Amtszeitbeschränkung.

Postulat für «theologische Genderkompetenz»

Traktandiert war weiter ein Postulat von Pfrn. Jacqueline Sonego Mettner vom Synodalverein zur «Stärkung feministisch-theologischer Arbeit». Der Kirchenrat solle prüfen, wie die feministische Theologie in der Aus- und Weiterbildung von Pfarrern gefördert werden könne. Angeregt werden auch «Massnahmen zur Förderung der theologischen Genderkompetenz» und die Erstellung einer «gendersensiblen Handreichung zur Zürcher Bibel und zum reformierten Gesangbuch» – welche beide männerzentriert seien. Der Kirchenrat war bereit, das Postulat entgegenzunehmen.

Nationale Koordination für Spitalseelsorge

Theddy Probst berichtete von der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS). Sie beschloss Anfang November gegen Opposition der Zürcher Vertretung, eine «nationale ökumenische Koordinationsstelle Seelsorge im Gesundheitswesen» einzurichten. Weitere Synodale der EKF meldeten sich zu Wort: Yvonne Wildbolz prangerte erneut die Eroberung von Berg-Karabach durch Truppen Aserbaidschans an. Michael Baumann stellte das Buch «Frommes Zürich» von Armin Sierszyn vor. Es schliesse eine grosse Lücke in der Kirchengeschichtsschreibung, hebe den Beitrag von Frauen hervor und beschreibe das weitgefächerte Wirken von Gläubigen für Bedürftige. Laut Baumann zeigt es, «zu welchem Preis die liberale Modernität erkauft worden ist».

Die EKF (links unten) stimmt für die Entlastung der Kirchgemeinden, die rsf (rechts unten) dagegen.

Synodale der EKF hatten auch Fragen gestellt, welche der Kirchenrat in der Fragestunde beantwortete. Andrea Marco Bianca rühmte die Reichweite des RefLab: Ein Team produziert seit fünf Jahren Podcasts und Blogs; die Kosten von 1,1 Mio. Franken für eine «digitale Kirche» seien angesichts des Gesamtaufwands für die Gesamtkirchlichen Dienste klein …

Kommentar: Auf der Höhe der Aufgabe?

Wie ist der Kirchenrat in der neuen Amtszeit unterwegs? Seit Jahren hat er mit Zustimmung der Synode Überschüsse angehäuft, so dass das Eigenkapital der Zentralkasse auf über 71 Mio. Franken anwuchs. Doch erneut beantragte er den Beitragssatz von 3.1. Und er düpierte die Synode: Am Tag nach ihrem Ja zu den 85 Millionen Franken fürs Personal strich er den Teuerungsausgleich 2025.

Der Beschluss macht Sinn, doch das Vorgehen ist intransparent: Hätte der Kirchenrat dies der Synode kundgetan, hätte das Budget erneut einen Millionenüberschuss aufgewiesen. Und die Synodalen hätten den Beitragssatz gesenkt. Denn ihre Finanzkommission beantragte 3.0. In der Versammlung führte dies zum altbekannt-schalen Einwand, eine solche Senkung bringe den meisten Gemeinden wenig. Niemand wagte, 2.9 vorzuschlagen. So würden die Gemeinden spürbar entlastet, das landeskirchliche Eigenkapital deutlich abgebaut. Aber daran wagt die Synode nicht zu denken. Das dicke Polster scheint man zu lieben – wie der reiche Kornbauer?

Ein Budget mit Einsparungen: Kirchenrätin Katharina Kull.

Zu leicht gemacht hat es sich der Kirchenrat mit dem Abschluss von KirchGemeindePlus Ende 2023. Sein Bericht war kein «Schlussbericht»: kein nüchterner, selbstkritischer Rückblick, keine differenzierte Beurteilung der Auswirkungen angesichts der selbstdefinierten Ziele, keine Infragestellung der Prämissen (grösser ist besser), kein Eingeständnis von Überheblichkeit und Fehlern. Die Synode quittierte dies im September mit der Rückweisung des Berichts. Der Kirchenrat verweigerte sich der Forderung nachzubessern. Einige der offenen Fragen haben Synodale inzwischen in einer Interpellation gestellt.

Einen ersten Schuss vor den Bug hatte die Synode im März abgegeben: Sie wies das unausgegorene Tätigkeitsprogramm für die Staatsbeiträge 2026-2031 zurück. Stein des Anstosses war die geplante Unterstützung anderer, nicht anerkannter Religionsgemeinschaften. Was der Kanton nicht leisten kann, weil dafür die Rechtsgrundlage fehlt, wollen die Leitungen der Landeskirchen vorerst übernehmen (mit jährlich 2 Millionen, falls der Kantonrat die 300 Millionen für die sechs Jahre bewilligt). Der Deal soll die «gesamtgesellschaftliche» Nützlichkeit der Landeskirchen unterstreichen, nachdem ihr Image durch die teils dürftige Performance in der Pandemie gelitten hat.

Konnte den Regierungsrat für unverminderte Staatsbeiträge gewinnen: Kirchenratspräsidentin Esther Straub zu den Legislaturzielen.

Der Regierungsrat konnte überzeugt werden. Doch hilft der Deal, die ungleich grössere Gefahr für die landeskirchlichen Finanzen zu mindern? Sie besteht darin, dass die Kirchensteuerpflicht für Unternehmen fallen könnte – was die kantonale FDP inzwischen ins Parteiprogramm geschrieben hat.

Auch wenn wir es ausblenden möchten: Mit dem rascheren Mitgliederschwund erodiert die gesamtgesellschaftliche Relevanz der einstigen Staatskirche. Reformiert sind noch 23 Prozent der Bevölkerung im Kanton. Auf den Rekordverlust an Mitgliedern 2023 (fast 12‘500, davon über 9000 Austritte, nach 6700 im Vorjahr) reagiert Kirchenratspräsidentin Esther Straub, indem sie Zuversicht verströmt und dankbar jene 373‘000 Zürcherinnen und Zürcher erwähnt, die Ende 2023 noch dabei waren.

Als Grund für die Austritte werden auch gesellschaftliche Megatrends angeführt. Doch hat der Kirchenrat nicht eben diese Trends mit zeitgeistigen Akzenten gefördert? Haben die Reformierten nicht über Jahrzehnte der Autonomie in Glaubenssachen («Selber denken») das Wort geredet? Was trägt die Zeitung reformiert. zur Besinnung auf Jesus Christus, den Kern des Glaubens und die Bedeutung kirchlicher Gemeinschaft bei?

Ein wenig Selbstkritik fand sich in der kirchenrätlichen Rückschau auf die Bemühungen für die Stärkung junger Mitglieder (Legislaturziel bis 2024).

Der markante Turm von St. Peter in Zürich. Die City tickt säkular.

Fakt ist: Jugendliche und junge Erwachsene entfernen sich zu Tausenden von der Kirche. Manche Kirchgemeinden sind echt kreativ, im Konfirmandenunterricht und nachher, aber 20 Jahre nach Einführung des rpg sollte viel mehr getan werden, um Jungen Glauben und Hoffnung nahezubringen.

Positiv ist, dass der Kirchenrat mit dem Innovationskredit neue Projekte fördert. Gemeinden und Initiativen winkt Geld, falls sie die bürokratischen Hürden überspringen. Doch das genügt nicht. In den Landgemeinden – da wo junge Familien Wohnraum noch eher bezahlen können – schwächelt die Kirche infolge von KirchGemeindePlus und der neuen, schiefen Pfarrstellenzuteilung, die in diesem Jahr voll durchschlägt. Der Kirchenrat will prüfen, wie feministische Theologie zu fördern wäre, und eine LGBTIQ+-Fachstelle in der Zürcher City unterstützen. Wird er auch junge Reformierte zur Familiengründung ermutigen?

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