Der Kirchenrat hat in einem Bericht ein «Zielbild» neuer Gemeindestrukturen vorgelegt und damit die Kirchensynode um ein Mandat fürs weitere Vorgehen im Prozess KirchGemeindePlus ersucht. Die Synode wies am 24. November den Bericht des Kirchenrates mit 96 zu 12 Stimmen zurück. Er hat in einem Ergänzungsbericht zu 16 Punkten Klarheit zu schaffen und zudem zehn Aufträge einer Motion zu bearbeiten.
Der Bericht des Kirchenrates erfolgte im September als Antwort auf zwei Postulate aus der Synode. Urs-Christoph Dieterle, Präsident der vorberatenden Kommission, sagte in der Begründung von Rückweisungsantrag und Motion, bislang fehle für «KirchGemeindePlus» (KGP) ein verbindlicher Auftrag der Kirchensynode. Dafür müssten erst Grundlagen geschaffen und Klärungen erbracht werden. Das fragwürdige Vorgehen des Kirchenrats habe in der Kommission zu Unbehagen geführt.
Der KGP-Prozess, so Dieterle, soll durch die Rückweisung «weder verzögert noch verhindert werden». Doch dürften «Fusionszwang und Zeitdruck die Wahl weiterer Gemeindemodelle nicht ausschliessen». Der Kommissionspräsident betonte: «Die Landeskirche wächst aus den Gemeinden … Kirche vor Ort vermittelt Identität und Heimat.» Ein von oben verordneter Zusammenschluss sei undemokratisch und könne zu Resignation und Austritten treuer Gemeindeglieder führen. Der Kirchenrat habe Alternativen zu Fusionen vorzuschlagen. «Weshalb soll es nicht verschiedene Gemeindegrössen und -formen nebeneinander geben?»
«Bleibt die Freiwilligenarbeit auf der Strecke?»
Urs-Christoph Dieterle stellte weiter die Frage, ob grössere Einheiten wirklich kostengünstiger seien. «Bleibt nicht viel mehr die Freiwilligenarbeit auf der Strecke, weil alles professionalisiert wird?» Der Kirchenrat habe auch darzulegen, wie künftig Aufsicht geübt wird, «wenn offenbar Bezirkskirchenpflegen wegfallen sollen».
GPK-Präsident Hanspeter Murbach äusserte Bedenken zum Prozessdesign. Die GPK sei enttäuscht, «dass der Kirchenrat das äusserst wichtige Projekt mehr oder weniger an der Synode vorbei plant». Kirchenrat Daniel Reuter verwies dagegen auf den Handlungsspielraum der Exekutive. Der Kirchenrat wünsche einen synodalen Prozess. Er sei bereit, die Motion anzunehmen und rasch zu bearbeiten, wende sich aber gegen die Rückweisung seines Berichts.
Warnung vor übereilten Entscheiden
Zwei Fraktionssprecher brachten den Unmut auf den Punkt. Willi Honegger von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion markierte Skepsis gegenüber dem Vorgehen, zuerst die Struktur der Gemeinden zu ändern, da eine «inhaltliche Neubesinnung als zu schwierig erachtet wird». Die Vorlage sei zu vage. «Der Totalumbau ist epochal.» Wenn ein erster Anlauf nicht gelinge, sei das keine Niederlage. «Unter Zeitdruck kommen keine vernünftigen Entscheide zustande.» KGP brauche einen «Marschhalt, zu nutzen für eine viel grössere Auslegeordnung».
Matthias Reuter von den Religiös-Sozialen sagte, es gehe bei KGP um grundsätzliche Fragen des Kirche-Seins. In der Synode müsse eine vertiefte Auseinandersetzung stattfinden anhand von konkreten Anträgen des Kirchenrats. Der KGP-Prozess solle dadurch «präzisiert, gestärkt und legitimiert werden».
Engere Zusammenarbeit gefordert
Neben anderen Synodalen ergriff Roman Baur das Wort. Er forderte einen Paradigmenwechsel im Zusammenspiel von Kirchenrat und dem in der Synode vertretenen Kirchenvolk. Beide Seiten hätten das Ihre einzubringen: der Kirchenrat Koordination und Professionalität, die Basis die Gemeindeautonomie, das Milizprinzip, die breite Erfahrung im Gestalten des Gemeindelebens. «In einer viel engeren Zusammenarbeit als bisher haben wir echte Chancen.» Der Kirchenrat habe mit seinen Ausführungen zur nächsten Phase von KGP Verwirrung gestiftet. Statt es allen recht machen zu wollen, solle er Alternativen formulieren.
«Zeitdruck für alle»
Kirchenratspräsident Michel Müller wehrte sich gegen die Rückweisung. Er begrüsste, dass die Synode mehr Verantwortung übernehmen wolle. Doch der «Zeitdruck für alle» sei nicht von der Hand zu weisen. «Wie lange wollen Sie Kirchenpflegen und Mitarbeitende beschäftigen mit Reformdiskussionen?» Pfarrstellen zu kürzen werde künftig schwieriger. Und das Reformationsjubiläum wolle gefeiert werden. Ein Ordnungsantrag beendete die Debatte. Kommissionspräsident Dieterle resümierte: «Wir wollen, dass man uns reinen Wein einschenkt.» Die Synodalen wiesen den Bericht mit 96 zu 12 Stimmen bei 5 Enthaltungen zur weiteren Bearbeitung zurück.
Teure Berater
Der Kirchenrat will den Gemeinden für KGP Berater zur Seite stellen. 2016 sollen dafür 500‘000 Franken aus der Zentralkasse zur Verfügung stehen. Die Synode diskutierte, wie der Betrag zu bewilligen sei. Gegen eine Verschiebung wandte sich der Synodalverein: Bemühungen in den Gemeinden dürften nicht torpediert werden. Für die Fragestunde war eine Frage gestellt worden. In seiner Antwort sagte Kirchenrat Daniel Reuter, die Kirchgemeinden seien in der Wahl der Berater frei. Stundenansätze von 150-250 Franken seien marktüblich.
Fusioniert, aber noch nicht gross genug
Am Vormittag hatte das Kirchenparlament ohne Diskussion zwei Fusionen zugestimmt, durch welche die Kirchgemeinden Flaachtal und Wehntal mit 2000 bzw. 2800 Gemeindegliedern entstehen. Bis 2020 sind sie mit Pfarrstellen grosszügig dotiert. Die Gemeinden würden zu grösseren Gebilden fusionieren müssen, meinte GPK-Präsident Hanspeter Murbach; immer deutlicher zeige sich das Spannungsfeld zwischen Gemeindeautonomie und den «übergeordneten Interessen der Landeskirche».
Im Blick auf den Finanzausgleich sagte Kirchenratspräsident Michel Müller, es sei im Interesse aller, dass diese Solidarität nicht durch grosse Vor- oder Nachteile für einzelne Gemeinden überstrapaziert werde. Die bereits fusionierten Gemeinden seien darauf angewiesen, «dass sich die anderen auch bewegen». Sonst wären sie 2020 (bei der nächsten kantonsweiten Überprüfung der Pfarrstellen) die Geprellten. Adrian Honegger, Synodale aus dem Flaachtal, bemerkte, die Fusion sei von der Basis her entstanden; das wünsche er auch den anderen Kirchgemeinden.
Kanton bereit zu Anpassung des Kirchengesetzes
Auf Wunsch der Landeskirche hat die Zürcher Justizdirektion einen Vorentwurf für eine Teilrevision des Kirchengesetzes von 2007 erarbeitet. Damit soll der Stadtkirchgemeinde Zürich ermöglicht werden, ein Parlament einzurichten und die Pfarrwahl in Teilgemeinden zu organisieren. Zudem wird die Entflechtung von Staat und Landeskirchen weitergeführt. Der Kanton will ihnen u.a. die Umnutzung von Liegenschaften erleichtern. Die landeskirchliche Rekurskommission soll künftig nach Auffassung der Kirchensynode auch über personalrechtliche Fragen entscheiden können.