In der Stadt Zürich stimmen die Reformierten am 28. September darüber ab, ob die 33 Kirchgemeinden der Stadt zu einer Stadtkirchgemeinde zusammengelegt werden (Modell 1). Als Alternative werden die Stärkung des bestehenden Stadtverbands und Zusammenschlüsse der Kirchgemeinden vorgeschlagen (Modell 2). Der Stadtverband legt die beiden Modelle auf seiner Website dar. – Das Folgende ist ein persönlicher Kommentar.

Im Kern geht es um die Relevanz der Reformierten in der Zwinglistadt. Dafür werden nicht Strukturen entscheidend sein, sondern die prägnante Verkündigung des Evangeliums von Gottes Liebe und Gnade und gelebte Gemeinschaft in vielen Formen. Beide Modelle ermöglichen dies. Kein Modell garantiert es.

Die bisherige Struktur, in den 1960er Jahren für die dreifache Zahl von Mitgliedern eingerichtet, muss vereinfacht werden. Der Überstrukturierung überdrüssig, favorisieren viele das Modell 1: Mit einer Stadtkirche kann reformierte Kirche in Zürich radikal neu gestaltet werden – jedenfalls strukturell, hoffentlich auch geistlich. In dieser Perspektive bedeutet Modell 2 bloss die Verwaltung des Niedergangs.

Allerdings gilt es zu bedenken:

  • Mit Modell 1 begeben sich die die Reformierten Zürichs in ganz unbekannte Gewässer. Nirgendwo sonst gibt es eine mit Steuern finanzierte Kirchgemeinde mit 80‘000+ Mitgliedern. (Hamburg hat zwei Kirchenkreise, aber weiterhin 171 Kirchengemeinden für die 695‘000 Mitglieder.)
  • Modell 1 steht quer zu unserer politischen Kultur. Wir wollen Verantwortung, die vor Ort wahrgenommen werden kann, nicht an eine zentrale Instanz abgeben, eine Instanz zudem, mit der keine Erfahrungen gemacht werden konnten. In Modell 1 wird die Verwaltung aller Finanzen und Liegenschaften ein für allemal der gesamtstädtischen Kirchgemeinde übertragen. Die Teilgemeinden könnten PfarrerInnen zur Wahl vorschlagen, aber nicht mehr selbst wählen.
  • Dass die Reformierten Zürichs die Gemeindeautonomie aufgeben, befremdet. Auch wenn der Bezug zum Stadtteil schwächer, die Behördensuche schwieriger geworden ist: Reformierter Gemeinsinn ist zuerst lokal.
  • Es gehört zum reformierten Kirche-Sein, dass die Kirchenpflege am Ort Gemeinde leitet, indem sie geistliche und administrative Belange zusammensieht. Modell 1 reisst diese Verantwortlichkeiten auseinander und befugt Personen, die die Verhältnisse im Quartier nicht kennen, zu entscheiden.
  • Es ist bezeichnend, dass in Modell 1 die Stadtkirchenpflege, welche alle Kirchgemeinden repräsentieren soll, so gross ist, dass zur Geschäftsführung ein Ausschuss gebildet werden soll.
  • Kleinere Kirchgemeinden müssen in den nächsten Jahren fusionieren. Der anhaltende Mitgliederschwund wird nach 2020 in Zürich „weitere Reorganisationen“ erzwingen – auch unter Modell 1! Damit fällt das Argument seiner Befürworter dahin, in einem Schritt könne die Struktur geschaffen werden, welche weitere Fusionen überflüssig mache.

Die bisherige Struktur hat sich überlebt. Doch auf einen Schlag eine Mega-Kirchgemeinde zu bilden, scheint verwegen. Steckt Resignation und Visionslosigkeit im Ja mancher Kirchenpflegen zu einer kaum überblickbaren Stadtkirche?

Der Wille zum Gewaltstreich hat mit einem Problem zu tun, das nicht allein den Stadtzürchern zu schaffen macht. Wir ernten in der Zürcher Landeskirche, was wir gesät haben mit der strikten Beibehaltung des Parochialprinzips. Nun sollen die Grenzen so weit gezogen werden, dass jeder Reformierte zwischen Schwamendingen und Altstetten die Gemeinde seiner Wahl besuchen und sich ausserhalb seines Stadtteils engagieren kann.

In der stadtweit freien Gemeindewahl liegt (neben der effizienten Liegenschaftenverwaltung) der eine substantielle Vorteil von Modell 1. Es segelt unter der Verheissung, dass sogenannte Profilgemeinden leichter aufgebaut werden können. Wenn die dannzumal Verantwortlichen wirklich vielfältige Profile zulassen und fördern …

Es liegt dem Kommentator fern, ein Loblied auf Modell 2 anzustimmen. Dies hängt damit zusammen, dass im Stadtzürcher Reformprojekt von einer geistlichen Perspektive und vom Anspruch Jesu wenig zu spüren ist. Jesus ist der Herr der Kirche, der Chef des Personals. Trägt die neue Struktur dazu bei, dass sein Anspruch besser anerkannt wird und seine Gaben vermehrt in Anspruch genommen werden, ist Reform positiv.

Kirche ist primär nicht besser zu strukturieren, sondern auf Jesus auszurichten. Sie wird nachhaltig aufgebaut, wenn sein Geist in ihr weht, seine Liebe in ihr fliesst. Dass dies geschieht, dass dies angestrebt und erbeten wird, wünsche ich meinen Stadtzürcher Brüdern und Schwestern.

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Menü