Die Zürcher Landeskirche hat in einem Gottesdienst im Grossmünster am Sonntag, 23. August, 12 TheologInnen in ihr Ministerium aufgenommen. Als Diener am Göttlichen Wort sind sie nun auf Pfarrstellen wählbar.

In seiner Predigt zur Ordination verglich Kirchenratspräsident Pfr. Michel Müller die Theologen mit dem Schriftgelehrten in Jesu Gleichnis, der „Neues und Altes aus seiner Schatzkammer hervorholt“ (Matthäus 13,51-52). Dies sei der Beruf der ordinierten Theologen: „Wir sollen diese alten Texte verständlich machen und sie in unsere Zeit hinein sprechen lassen.“ Müller zitierte das Gelübde, das die Zwölf später im Gottesdienst ablegten: „den Dienst an seinem Wort auf Grund der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes in theologischer Verantwortung und im Geiste der Reformation zu erfüllen und mit ihrem Leben zu bezeugen.“

Alte Worte

Der Prediger erwähnte die in Deutschland entfachte Theologen-Debatte um den Stellenwert des Alten Testaments und die Kritik, die nach dem Zitieren von Worten aus dem 3. Mosebuch auf Bischof Vitus Huonder niedergegangen war. Dieses Zitat zeige, „wie schwierig oder sogar gefährlich die Bibel sein kann“. Die heiligen Texte seien nicht einfach wörtlich, aber ernst zu nehmen „und zugleich müssen wir sie übersetzen und verständlich machen. Das birgt die Gefahr, dass wir dann nur dies nehmen, was uns und unserer Zeit gerade so passt.“ Die Bibel diente dann bloss als spirituelles Wellnesshandbuch.

Der Kirchenratspräsident hielt fest, dass die reformierten Kirchen ihre Theologen auf die ganze Heilige Schrift ordinieren. „Aber verhalten wir uns auch so? … Nehmen nicht auch wir das Neue Testament zum Massstab des Alten?“ Das Alte Testament lasse sich auch ohne das Neue verstehen – den Juden dürfe man ihre Bibel nicht wegnehmen. Und das Neue Testament sei zunächst einmal ein innerjüdischer Kommentar zum Alten.

„Der Schatz ist grösser“

Der Kirchenratspräsident machte deutlich, dass Nächstenliebe und die Aufnahme von Fremden schon im Alten Testament geboten sind – was die politische Partei ernst nehmen solle, die sich bei Homosexualität bibeltreu gebe. Und fragte, wie die Reformierten „mit der Autorität der ganzen Bibel umgehen“, wenn diese offenbar in intensiver Diskussion mit sich selber stehe. Eine Antwort gab Müller nicht; stattdessen erzählte er den Witz des Rabbiners, der angesichts von „Widersprüchen“ das Wirken des Geistes Gottes vermutet.

Im Gleichnis verglich Jesus den Schriftgelehrten, „der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, einem Hausherrn gleich, der Neues und Altes aus seiner Schatzkammer hervorholt“. Nicht alles werde hervorgeholt, sondern Neues und Altes. „Der Schatz ist grösser. Die christliche Wahrheit, das Evangelium vom Reich Gottes ist immer grösser, als wir je erklären und mit unserem Leben bezeugen können.“

kreuzgang

Zum Entdecken motivieren

PfarrerInnen dürften beispielhaft auswählen und, was sie aus der Bibel nehmen, mit Blick auf das Himmelreich auslegen, in einer Weise, die zum Tun führe. Verkündigung solle zum Entdecken motivieren: „Als Kirche verwalten wir nicht den Schatz, sondern entdecken ihn immer wieder neu.“ Zu verstehen heisse zu fragen, sagte Müller. „So kann die Bibel Autorität sein, nicht durch blinden Gehorsam, sondern durch die Kraft des Geistes, der den Horizont der Wirklichkeit immer wieder aufreisst…“ Den Ordinandinnen und Ordinanden wünschte der Kirchenratspräsident, dass sie mit ihren Gemeinden, in die sie sich rufen lassen, „immer wieder im Schatz wühlen und suchen und sich davon inspirieren lassen“.

Gelübde und Zuspruch

Im Rahmen einer vom Collegium Vocale Grossmünster fein durchwirkten Liturgie wurden die zwölf TheologInnen nach ihrem Gelübde vom Kirchenratspräsidenten ordiniert. Es sind: Regula Eschle Wyler, Matthias Benjamin Fehr, Cindy Gehrig, Liv Kägi, Markus Karau, Benjamin Kilchör, Claudia Edeltraut Mehl, Salome Ann Probst, Reto Studer, Cindy Studer-Seiler, Wolfgang von Ungern-Sternberg und Bruno Wyler-Eschle. Von den PfarrerInnen, die sie im Vikariat angeleitet hatten, erhielten sie einen Bibelvers zugesprochen. Sie trugen sich ins Buch des Zürcher Ministeriums (Pfarrkollegium der Landeskirche) ein.

Danach betete die versammelte Gemeinde für sie. Der SEK-Ratspräsident Gottfried Locher unterstrich, dass die Ordinierten in der Gemeinde, in der Kirche und in der weltweiten Kirchengemeinschaft zu wirken berufen sind. Auf die Ordination folgte die Feier des Abendmahls. Unter dem Läuten der Glocken trat man ins Freie zum Apéro; da setzte Regen ein.

Das Ordinationsgelübde der Zürcher Reformierten lautet gemäss der Kirchenordnung, Art. 108:
„Ich gelobe vor Gott, den Dienst an seinem Wort aufgrund der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes in theologischer Verantwortung und im Geiste der Reformation zu erfüllen.
Ich gelobe, im Gehorsam gegenüber Jesus Christus diesen Dienst durch mein Leben zu bezeugen, wo immer ich hinberufen werde.“

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