Die religiös-soziale Fraktion der Kirchensynode schlägt für den Kirchenrat eine Pfarrerin vor, obwohl bereits drei Pfarrer im siebenköpfigen Rat sitzen. Gegen die Theologenmehrheit wendet sich Willi Honegger mit einer Motion. In der Kirchenordnung soll ein Grundzug reformierten Kirche-Seins festgeschrieben werden: die angemessene Mitwirkung von Nicht-Ordinierten in der Leitung der Kirche. Die Motion ist für die Sitzung am 25. März im Rathaus traktandiert.

Von den Reformatoren hatte der Jurist Jean Calvin die weitaus modernste Vision für die Leitung der Kirche: die gemeinsame Verantwortung von Geistlichen und Nicht-Theologen, Teilung von Ämtern, Begrenzung von Macht und Teamwork (1). Es war diese presbyterianische Vision von Kirche, welche wesentlich dazu beitrug, dass Westeuropa den Weg zur Demokratie fand (2).

In den reformierten Ständen der Eidgenossenschaft dauerte es allerdings Jahrhunderte, bis die Nicht-Theologen ihren Platz einnehmen konnten. Erst 1895 ersetzte Zürich die Synode der Pfarrer durch eine gemischte Synode. Nach der Kirchenordnung von 2009 (Art. 210,3) dürfen Pfarrer/innen und Angestellte der Kirche, die für die Synode kandidieren, in den Wahlkreisen nicht die Mehrheit stellen.

Unterschiedliche Kompetenzen gefragt

Neben theologischer Kompetenz sind in unübersichtlichen Zeiten für die Leitung der Kirche – auch in der Exekutive – Wissen und Erfahrung, Mut, Witz und geistlicher Durchblick von Nicht-Theologen höchst wünschenswert. Dies versteht sich eigentlich von selbst nach Jahrzehnten tiefgehender Säkularisierung, in der sich die verschiedenen Bereiche des Lebens verselbständigt haben. Je mehr dieser Bereiche im Gremium zur Sprache kommen, desto besser.

Dass die Pfarrschaft in der Zürcher Landeskirche eine stärkere Stellung hat als anderswo (3), hat diese Kirche nicht vor anhaltender Schrumpfung und Schwäche bewahrt; das gesellschaftliche Gewicht der Pfarrschaft ist stark gesunken.

Kurz: Es spricht nichts dafür, die Vertretung der Pfarrschaft im Kirchenrat zu verstärken, und alles dafür, das bisherige Limit beizubehalten – und wenn es nicht respektiert wird, festzuschreiben. Zumal der Kirchenrat von seinem Schreiber unterstützt wird, der traditionell ein Pfarrer ist. Mit einem Theologen/einer Theologin mehr stünde das Verhältnis 5:3. Das macht nicht Sinn.

Drei sind genug

Damit ist das grundsätzliche Recht der religiös-sozialen Fraktion, eine Theologin zu portieren, überhaupt nicht bestritten. Doch 2011, als die anderen Fraktionen drei Theologen vorschlugen, stellte sie keine Pfarrerin auf. Die drei damals Gewählten stehen im September für die neue Amtszeit wieder zur Verfügung. Die Religiös-Sozialen müssen warten – was in einer von Ungeduld versehrten Zeit offensichtlich schwer fällt.

Die Nonchalance, mit der die religiös-soziale Fraktion Esther Straub portiert, zeugt nicht von reformiertem Identitätsbewusstsein; eher zeigt sie ein mangelndes Gespür für die Bedürfnisse der Kirche.

 

(1) Eine prägnante Darstellung: Frank Jehle: Die Teilung der Ämter, in: Matthias Krieg, Gabrielle Zangger-Derron: Die Reformierten, Suchbilder einer Identität, TVZ Zürich, 2002, S. 57-62.

(2) Der Übergang zur konstitutionellen Monarchie geschah in England 1688/89 – ein Jahrhundert vor der Französischen Revolution.

(3) Ein Beleg: Die Kirchenordnung hat über 90 Sätze zum Pfarramt, fünf zu den Freiwilligen.

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