Die Gemeindepfarrstellen der Zürcher Landeskirche werden künftig anders verteilt. Die Kirchensynode stimmte dem Grundsatz der linearen Zuteilung (für 200 Mitglieder 10 Stellenprozente) am 10. April nach holpriger Diskussion zu. Grosse Gemeinden werden dadurch gegenüber heute bessergestellt. Damit nicht genug, beantragte der Kirchenrat zusätzliche Stellenprozente für Gemeinden mit über 2000 Mitgliedern. Die Legislative folgte ihm auch darin. Dem vehementen Einspruch von Vertretern kleiner Landgemeinden, die ihren Ruin befürchten, trug die Synode am Ende Rechnung: Jede Gemeinde hat wenigstens 50 Stellenprozente zugut.
Gerechter sei die lineare Zuteilung von Pfarrstellen, weniger willkürlich und für alle Beteiligten besser absehbar und planbar: So begründete der Kirchenrat das Hauptelement der neuen Zuteilung. Grössere Gemeinden seien bisher «massiv unterversorgt», sagte Kirchenratspräsident Michel Müller. Die vorberatende Kommission hatte er überzeugt. Ihre Minderheit wollte allerdings schon Kirchgemeinden ab 1500 Mitgliedern zusätzliche Stellenprozente geben.
Gravierende Bedenken
In der Debatte kamen aus allen Ecken des Ratsaales Änderungsanträge. Der Weinländer Kurt Stäheli von der Liberalen Fraktion (LF) beantragte die Rückweisung der neugefassten Artikel 116 und 117 der Kirchenordnung. «Es kann nicht sein, dass wir mit der Teilrevision gerade die ländlicheren Bezirke, in denen die reformierte Tradition noch verwurzelt ist, an den Rand des Ruins treiben.» Der Kirchenrat, so Stäheli, riskiere mit den neuen Bestimmungen ein Scheitern der ganzen Vorlage in der Volksabstimmung.
Michael Wiesmann von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion (EKF) forderte, die Beratung der beiden Artikel auf Mai zu vertagen – und die Pfarrämter in Institutionen (Heime, Spitäler, Gefängnisse) miteinzurechnen. Dies aufgrund der Überlegung, dass auch bei diesen Pfarrstellen entsprechend dem Mitgliederrückgang zu sparen ist.
«Die Lichter im Pfarrhaus gehen aus»
Hannes Aeppli von der Fraktion des Synodalvereins (SV) wollte die zusätzlichen Prozente für 2000+-Gemeinden gestrichen haben. Die doppelte Zahl von Mitgliedern ergebe nicht die doppelte Arbeit im Pfarramt (auch nur ein Sonntagsgottesdienst!). Für einen weiteren Votanten war es nicht plausibel, dass Teampfarrämter mehr zu tun geben als ein Einzelpfarramt.
Theddy Probst (EKF) suchte die scharfe Kürzung bei Klein- und Kleinstgemeinden ab 2024 zu verhindern. Diese Gemeinden existierten, äusserte der Pfarrer von Wildberg – «die Frage ist: Dürfen sie die Zukunft selbst gestalten oder wird über sie verfügt?» Mit dem Plan des Kirchenrates deute sich Düsteres an. «Die Lichter im Pfarrhaus gehen aus. Das kirchliche Leben im Dorf geht flöten.» Die Leute in kleinen Gemeinden seien «nicht Schmarotzer auf dem Butterbrot der Städter».
Grundversorgung zusammenstreichen?
Lukas Maurer verfolgte dasselbe Ziel mit einem einfacheren Antrag: ein 50%-Mindestpensum auf Dauer für jede Gemeinde, unbesehen der Mitgliederzahl. Es sei «höchst problematisch, dass wir Mitgliedern unserer Landeskirche drohen, die Grundversorgung zusammenzustreichen», sagte Maurer. Der religiös-soziale Synodale bemerkte, geschwächte Gemeinden seien als Fusionskandidaten noch weniger attraktiv. Die Zürcher Kirche, eine der reichsten der Welt, müsse für alle Mitglieder da sein. Maurer: «Es muss andere Wege geben, als das kirchliche Leben in diesen Gemeinden abzuwürgen.» Anita Keller Büchi, Pfarrerin im Weinland, sekundierte Maurer mit der Bemerkung, Fusionen seien nicht das Allheilmittel für die Gebresten der Kirche.
Karl Stengel (EKF) forderte, durch Pfarrunion verbundene Kirchgemeinden als eine Gemeinde zu behandeln. In weiteren Voten wurden gemeindebezogene (Vitalitäts-)Kriterien für die Zuteilung vermisst. Cornelia Paravicini (LF) erwähnte, in der Stadt Zürich gebe es viel weniger Kinder und Jugendliche als anderswo.
Keine anderen Kriterien
Kirchenratspräsident Michel Müller betonte darauf, jedes Mitglied habe «grundsätzlich denselben Anspruch». Der Kirchenrat unterscheide und bewerte nicht. Und mit der langen Übergangszeit bis 2024 könnten Gemeinden überlegt entscheiden. Margrit Hugentobler bekräftigte den Willen des Synodalvereins zum Systemwechsel: Rückläufige Mitgliederzahlen erforderten «eine Konzentration der Mittel und eine Anpassung der Struktur». Nun sei zu handeln. Die Übergangsbestimmungen seien «luxuriös».
Ähnlich äusserte sich Matthias Reuter von den Religiös-Sozialen: Mit dem Artikel 117 gehe der Kirchenrat auf dem mit KirchGemeindePlus eingeschlagenen Weg weiter. «Entweder wollen wir als Synode das fortsetzen – dann gibt es mittelfristig keine kleinen Gemeinden mehr. Oder wir wollen das nicht.»
Übergangsfrist zum Planen
Michel Müller stellte sich gegen alle Änderungsanträge. Pfarrunionen seien fusionierten Gemeinden nicht gleichzusetzen. Der Kirchenratspräsident verglich den Bezirk Andelfingen mit der Stadt Zürich. Der Weinländer Bezirk mit 17‘000 Reformierten habe aktuell 14,7 Pfarrstellen, Zürich mit der fünffachen Mitgliederzahl 54. Die kleinen Gemeinden erhielten mit der fünfjährigen Übergangsfrist eine «klare und verlässliche Zukunftsperspektive».
Mit den Stimmen des Synodalvereins und der Religiös-Sozialen behielt der Kirchenrat die Oberhand. Einzig der Antrag von Lukas Maurer ging mit 48:46 Stimmen bei 5 Enthaltungen durch. Die Regelung bedeutet, dass vom Gesamtetat, den die Kirchensynode alle vier Jahre beschliesst, jede Gemeinden eine halbe Stelle zugut hat. Der Rest wird grundsätzlich linear zugesprochen, mit Förderung der grossen Gemeinden.
Wer wohnt im Pfarrhaus?
Die Kirchensynode lockerte in der Folge die Regelung zum Wohnsitz der Pfarrer: Nur einer muss künftig in der Kirchgemeinde wohnen – obwohl, wie eingeworfen wurde, das Aushandeln neue Probleme verursachen mag. Die Kirchensynode billigte einen Antrag von Annelies Hegnauer: Die Kirchgemeinde kann mehr als eine ihrer Pfarrpersonen zur Wohnsitznahme verpflichten.
Mitgliederzeitschrift von Kirchgemeinden zu berappen
Am Vormittag hatte die Kirchensynode der Zeitschrift reformiert. den Status einer Mitgliederzeitschrift der Landeskirche gegeben: Künftig müssen alle Kirchgemeinden das Blatt ihren Mitgliedern zukommen lassen; von einzelnen Personen kann es abbestellt werden.
Dass die Kirchgemeinden die Abos zu bezahlen haben, ohne eine andere Regelung treffen zu können, war in der Vernehmlassung vielerorts auf Ablehnung gestossen. Doch dies focht die Mehrheit der Synodalen nicht an. Sie erachteten auch die Gegenargumente der Kommissionsminderheit – Zwang sei der liberalen Zürcher Kirche unwürdig, das Monopol dem Blatt nicht zuträglich – als nicht stichhaltig.
Der Trägerverein reformiert. und die Gesamtkirchlichen Dienste hatten intensiv für die neue Regelung lobbyiert. Dabei wurde ausgeblendet, dass die Zeitschrift «die theologische und spirituelle Breite der Landeskirche nicht abdeckt», wie der Sprecher der Kommissionsminderheit formulierte. Er äusserte auch, dass angesichts neuer Medien die Fixierung auf ein Printprodukt falsch sei. Bei den Synodalen überwog jedoch das Interesse an einem Blatt, durch das die Landeskirche mit distanzierten Mitgliedern Kontakt halten will.
Die Kirchensynode berät die restlichen Artikel der Teilrevision am 8. und 15. Mai.