Die Eidgenossenschaft soll sich stärker für verfolgte und diskriminierte Christen besonders im Nahen Osten einsetzen. Dazu haben die Abgeordneten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes SEK den Bundesrat in einer Resolution aufgefordert. An ihrer Sommerversammlung, die vom 16. bis 18. Juni in Filzbach auf dem Kerenzerberg stattfand, ging es auch um die Taufe, den gemeinsamen Auftritt in der Öffentlichkeit und die Zielsetzungen des HEKS.

In seiner Ansprache an die Abgeordneten der Mitgliedkirchen schilderte SEK-Ratspräsident Gottfried Locher die „zunehmend antichristliche Stimmung“ in Ägypten. Nach Gesprächen in Beirut und Kairo im Frühjahr betonte Locher, die Verhältnisse unterschieden sich von Land zu Land. Doch „vielerorts werden Christen diskriminiert“. Die Gründe seien verschieden, die Folgen dieselben: Sie würden schikaniert, weil sie christlich getauft seien. “Im Nahen Osten grassiert die Diskriminierung von Christen.“ Dies sei auch für Muslime besorgniserregend, sagte Locher, der Diskriminierung von systematischer, geplanter Verfolgung unterschied. Der SEK-Ratspräsident nahm das Wort des Apostels Paulus zur Solidarität in der Kirche auf: „Wenn ein Glied leidet, kann uns das nicht gleichgültig sein. Es leidet. Drei Flugstunden von hier.“

Christen in islamischen Ländern auf die aussenpolitische Agenda

Von allen Religionsgemeinschaften weltweit werden Christen am meisten bedroht. In vielen Ländern des Nahen Ostens haben sich ihre Lebensbedingungen in den letzten Jahren laut SEK deutlich verschlechtert. In der Resolution fordert der Kirchenbund den Bundesrat auf, „Diskriminierung, Ausgrenzung und Bedrohung von Christen gegenüber den politisch Verantwortlichen weiterhin deutlich anzusprechen“ und ihre Menschenrechte mit Nachdruck einzufordern. Die Eidgenossenschaft soll Projekte, die das friedliche Zusammenleben fördern, stärker unterstützen und „die Beobachtung und Beurteilung der Lage der christlichen Kirchen“ auf ihre aussenpolitische Agenda nehmen. Das Personal in Schweizer Botschaften sei „gezielt auf religiöse Fragen zu sensibilisieren und entsprechend auszubilden“.

Unrecht nicht verschweigen

Die Resolution komme nicht aus heiterem Himmel, sagte Gottfried Locher vor den Abgeordneten in Filzbach. Der SEK-Rat lege sie vor, weil neben dem Einsatz von Kantonalkirchen und Werken „auch eine gesamtschweizerische Stimme“ nötig sei, um bei den Bundesbehörden und der Schweizer Diplomatie vorstellig zu werden. Der SEK nahm auch am Hearing der aussenpolitischen Kommission des Ständerats teil. Bisher hat, so Locher, der Kirchenbund den Wert des Interreligiösen Dialogs betont. Doch es diene allen beteiligten Religionsgemeinschaften, wenn hingeschaut und Unrecht nicht vertuscht werde.

In der Debatte meldete ein Berner Abgeordneter Bedenken an, wenn man sich allein für Christen einsetze. Die Vertreterin der Methodisten wies auf die Bedrängnis evangelischer Christen in Tunesien und Algerien hin. Die Bundesbehörden hielten sich sehr zurück. „Wir hoffen, dass einmal ein Bundesrat sich getraut, für bedrohte Christen einzustehen.“ Der Thurgauer Kirchenratspräsident Wilfried Bührer nannte es das Natürlichste der Welt, dass Christen sich hinter Christen stellten – „sofern es nicht den Unterton hat, gegen die andern Stimmung zu machen.

Kein gemeinsamer Auftritt

Die Waadtländer Kirche hatte eine Motion eingereicht, mit der sie die Schaffung eines landesweit einheitlichen Erscheinungsbildes der SEK-Mitgliedkirchen verlangte. Synodalrätin Esther Gaillard sprach von einem schreienden Mangel, den die Kirchen in der Romandie zu beheben entschlossen seien. Der Rat war bereit, den Auftrag entgegenzunehmen, da ihm aufgrund eines Beschlusses von 2012 obliege, die öffentliche Kommunikation der Kirchen zu bündeln. Im Blick aufs Reformationsjubiläum wurde gesagt, ein gemeinsames Erscheinungsbild verstärke „den Zugang zu den gemeinsamen Wurzeln“.

Die Mehrheit der Abgeordneten wollte dem Rat jedoch keinen bindenden Auftrag erteilen. Die Berner Vertreterin verwies auf die Eigenständigkeit der Kirchgemeinden: „Gleich unter dem lieben Gott kommt die Gemeindeautonomie“. Der Luzerner wandte ein, die Inhalte, die ein Erscheinungsbild transportieren sollte, seien alles andere als klar. Der St. Galler lehnte den Vorstoss ganz ab, da er weit übers Ziel hinausschiesse. Die Genferin unterstrich die Einheit der Romands: Sie seien entschlossen, das Reformationsjubiläum gemeinsam zu feiern. Die Zürcherin fand die Frist von 2017 zu knapp. Der Basler Vertreter meinte in Armeesprache, ein Tenu-Befehl sei nicht durchzusetzen; eine Tenu-Empfehlung solle man ausgeben. So könnten sich die kantonalen Kirchen einander annähern. Die grosse Mehrheit stimmte der Überweisung als Postulat zu.

Säkularisierung: Religionen im selben Boot

Der Vorsitzende des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes Herbert Winter wandte sich in einem Grusswort an die Versammlung. Infolge der Säkularisierung gebe es in der westlichen Welt eine „schleichende Religionskrise“, sagte er; was die Religionen traditionell ausmache, finde „oft nur noch am Rande statt“. Die Deutungshoheit sei ihnen weitgehend abhanden gekommen. Herbert Winter diagnostizierte einen „Wunsch nach bequemem Ethik-Pluralismus“ und vermehrt Patchwork-Religiosität. Zwar sei die Grundhaltung gegenüber Religion bei den meisten Menschen noch positiv, „doch kaum jemand setzt sich ernsthaft für die Religionsgemeinschaften ein.“ Das Sichtbarmachen von Religion im öffentlichen Raum stosse zunehmend auf Widerstand. Winter befürchtet, „dass letztlich keine Religionsgemeinschaft verschont wird“. Hier sei gemeinsam Gegensteuer zu geben.

Taufe anerkennen

Ein wichtiges Zeichen des Miteinanders der Kirchen ist die gegenseitige Anerkennung der (Kinder-)Taufe. 1973 wurde sie unter den drei Landeskirchen vereinbart. Die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz AGCK will die Anerkennung im Zuge ökumenischer Bestrebungen ausweiten. Ihre Erklärung, unter Beteiligung des SEK ausgearbeitet und nach einer Vernehmlassung modifiziert, fand die Zustimmung der Abgeordneten. Darin halten die orthodoxen und freikirchlichen Mitgliedkirchen der AGCK – ohne Baptisten und Heilsarmee – fest, dass sie die Taufe der anderen AGCK-Kirchen anerkennen. Der Rat kann die Erklärung unterzeichnen.

Zustimmung zum Kurs des HEKS

Der Zürcher Kirchenrat hatte dem Rat des Kirchenbundes Fragen zur Strategie des HEKS 2013-2017 gestellt. Vizepräsidentin Kristin Rossier Buri machte in ihrer Antwort deutlich, dass der SEK das HEKS wie bisher weiterarbeiten lassen will. Der Rat habe Anregungen zum Strategiepapier gegeben, um die Verankerung des HEKS in den Kirchen besser sichtbar zu machen. Mehrere Abgeordnete unterstrichen ihr Einverständnis mit dem Vorgehen des HEKS, namentlich seiner Arbeit unter Asylbewerbern im Inland und seiner Öffentlichkeitsarbeit.

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