Die Zürcher Kirchensynode hat das Projekt der Stadtakademie an den Kirchenrat zurückgewiesen. An der Sitzung vom 1. Juli stiess die Idee auf Zustimmung; die Planung für das Bildungszentrum wurde indes als zu leicht befunden.

Das Vorhaben hatte der Kirchenrat lange angekündigt: Die Erwachsenenbildung der Landeskirche sollte mit dem neuen Label „Stadtakademie“ für urbane Milieus attraktiv positioniert und an einem Ort gebündelt werden. „Die Stadtakademie öffnet sich Menschen, die an den Themen und Quellen der reformierten Kirche interessiert, jedoch nicht kirchlich sozialisiert und selbst auf der Suche nach religiöser Identität sind“, lasen die Synodalen in der Vorlage. Die Kirchgemeinde Enge am Südrand der Innenstadt hatte der Landeskirche ihr repräsentatives Kirchgemeindehaus zur Nutzung angeboten; um die Renovation hälftig zu finanzieren, beantragte der Kirchenrat knapp 1,7 Mio. Franken.

„Unklar und widersprüchlich“

Die Tonlage für die dreistündige Debatte gab die vorberatende Kommission vor, die mehrheitlich Rückweisung beantragte. Ihre Vorsitzende Jacqueline Sonego Mettner bewertete das Ziel als unklar und die Vision als „unklar und widersprüchlich“ – die Kluft zwischen christlicher Tradition und säkularem Lebensgefühl hat sich lange vertieft. Es sei nicht ersichtlich, wie Themenbereiche gezielt aufgebaut werden sollten, sagte Sonego. Für sieben Vollstellen müsse der Bedarf klar ausgewiesen sein. Der Kirchenrat solle nicht mit einer teuren Renovation starten, sondern andere Standorte prüfen. Die Sprecherin der Kommissionsminderheit Andrea Widmer Graf verwies darauf, dass die Stimme der Reformierten in öffentlichen Debatten zu religiösen Fragen häufig fehle. Eine Bündelung der bisherigen Bildungsangebote sei angezeigt.

Kirche will sich ins Gespräch bringen

Auf derselben Linie argumentierte der federführende Kirchenrat Daniel Reuter. Das auf urbane Milieus gerichtete Konzept sei durchdacht. Mit Trägern in Basel, Bern und St. Gallen werde ein Netzwerk stadtakademie.ch anvisiert. Doch drei der vier Fraktionssprecher taten ihre Ablehnung kund. Thomas Grossenbacher von den Liberalen rief dazu auf, „die Botschaft auf Wanderschaft zu bringen“. Willi Honegger von der Evangelisch-kirchlichen Fraktion begrüsste, dass der Dialog mit kirchlich bislang unerreichten Milieus in Gang gebracht werden solle. Dass dies mit weitgehend gleichem Personal gelinge, könne die Fraktion jedoch nicht glauben. Mit grosser Kelle anzurühren, mache nicht mehr wie früher Eindruck, sondern werde als Machertum ausgelegt und sei überdies ein problematisches Signal an die Kirchgemeinden.

„Wir brauchen diesen Leuchtturm“

Dass das geräumige Kirchgemeindehaus in Zürich-Enge sich eigne und gut erreichbar sei, wurde nicht in Abrede gestellt. Synodale aus der Stadt äusserten hohe Erwartungen und plädierten für einen beherzten Mitteleinsatz. Der Albisrieder Pfarrer Ruedi Wöhrle plädierte für ein Ja ohne Wenn und Aber, da die Kirche nicht mehr alle Menschen erreiche. „Wir brauchen diesen Leuchtturm.“ Die Stadtakademie müsse mit voller Kraft starten können. Dem Vogel dürften die Flügel nicht gestutzt werden.

Bei anderen Synodalen, namentlich vom Land, überwogen die Vorbehalte. Die Stadtakademie könne ohne teures Zentrum starten, meinten einige. Andere rieten zu einem Zusammengehen mit der römisch-katholischen Kirche, welche in Zürich-West für ihre Paulus-Akademie 17 Millionen Franken einsetzt. Daniel Reuter fragte zurück: „Was für ein Bild von Kirche haben wir, wenn wir immer wieder in den Kirchgemeinden stecken bleiben?“ Wer eine vielstimmige plurale Kirche im städtischen Raum wolle, solle diesen „Pflock einschlagen, damit wir wieder gehört werden“.

Die grosse Konfusion

Der Gang der Beratung müsse den Kirchenrat enttäuscht haben, meinte Willi Honegger. Die Kirchensynode sei aber nicht der Grund für die Konfusion, sie bringe sie bloss zum Ausdruck. Die Erwachsenenbildung stehe im Zeichen einer grossen Verunsicherung. „Über alle die Themen, welche die Stadtakademie aufgreifen will, müsste man reden. Wir wollen alle einen Aufbruch, aber niemand weiss wohin. Wir möchten alle einen Leuchtturm, aber niemand weiss, wofür er leuchten soll. Es fehlt uns die Message, die gemeinsame Überzeugung, der Esprit.“ Der Antrag der Kommission auf Rückweisung fand nach dreistündiger Debatte mit 62 zu 35 Stimmen eine klare Mehrheit. Der Kirchenrat wird das weitere Vorgehen erwägen.

Kirchenräte künftig ohne Ressorts

Kirchenratspräsident Michel Müller informierte die Synode über die Reform der Gesamtkirchlichen Dienste (GKD). Sie werden neu in fünf Abteilungen gruppiert; statt die Verantwortung für ein Ressort/eine Abteilung zu haben, werden die Mitglieder des Kirchenrats künftig Dossiers betreuen. Der neu gewählte Kirchenratsschreiber Pfr. Walter Lüssi wird operativer Leiter der GKD. Der siebenköpfige Kirchenrat wird so laut Müller mehr Zeit für strategische und geistliche Aufgaben haben.

Wie aktiv und kreativ die Kirche ist

Am Nachmittag besprach die Kirchensynode den Jahresbericht des Kirchenrates. Er enthält zahlreiche konkrete Beispiele kirchlicher Innovation und kreativer Angebote. Punktuell kommen Grundfragen zur Sprache. Angesichts der wachsenden religiösen Sprachlosigkeit schreibt der Kirchenrat (Seite 10):

„Der Sinn und Geschmack für die Einübung des Glaubens kommt abhanden. Für die Weitergabe des Glaubens und das Fortbestehen der Kirche ist diese Entwicklung besorgniserregend. Mehr Partizipation ist nur mit einer radikalen Reform des Gottesdienstes zu erreichen. Zugleich gefährdet ein solcher Umbau aber Selbstverständnis und Wiedererkennbarkeit der reformierten Kirche. Auf strategische Weise sollen deshalb regional diversifizierte Formate reformierter Verkündigungssituationen entwickelt werden.“ – Es bleibt abzuwarten, ob diesen Worten Taten folgen und welche Früchte aus ihnen erwachsen.

Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Menü