«Haltungswandel» für Kirchgemeinden gefordert
5. Juli 2021 – Die Gebäude aller Zürcher Kirchgemeinden sollen einem Umwelt-Management unterworfen werden – erst recht nach dem Volks-Nein zum CO2-Gesetz am 13. Juni. Aufgrund der Daten von allen Gebäuden, von den Kirchgemeinden erhoben, soll ein Absenkungspfad definiert und beschlossen werden. Die Kirchensynode beauftragte den Kirchenrat am 29. Juni, eine Vorlage mit dieser Stossrichtung auszuarbeiten. Jahresbericht und Jahresrechnung wurden ohne Diskussion genehmigt. Drei Gemeindefusionen fanden Zustimmung, eine mit deutlichen Vorbehalten.
Die Kirchgemeinden des Kantons sollen sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschreiben: Sie sollen den Energieverbrauch all ihrer Gebäude (CO2-Bilanz) jährlich erfassen und deren weitere Nutzung nach energetischen Gesichtspunkten planen. Der Kirchenrat akzeptierte eine Motion von 30 Synodalen mit mehreren Änderungen, welche er selbst vorgeschlagen hatte, um seinem Legislaturziel «Umweltbewusst handeln» Nachdruck zu verleihen.
Rahmenkredit und mehr
Aufgrund der Daten soll die Kirchensynode «CO2-Ziele und einen dazugehörigen Absenkungspfad» beschliessen und den Kirchenrat ermächtigen, die Ziele zu erreichen. Die Landeskirche soll für ihre Arbeit und die der Kirchgemeinden während fünf Jahren 2,5 Millionen Franken einsetzen. Alle Kirchgemeinden sollen sich in diesem Zeitraum mit dem «Grünen Güggel» zertifizieren lassen.
Die Synodale Monica Müller, Erstunterzeichnerin der Motion, führte aus, den Argumenten der erfolgreichen CO2-Gesetz-Gegner vom 13. Juni sei entgegenzuwirken, um die Ziele des Pariser Abkommens doch zu erreichen. Die Leute hätten statt an ihr Portemonnaie an den «Zustand des ganzen Planeten und was dies für alle anderen Mitgeschöpfe bedeutet» zu denken. Ein Haltungswandel sei nötig, «um als Gesellschaft an einer gemeinsamen Zukunft in einer lebenswerten Schöpfung von vielen noch folgenden Generationen mitwirken zu können».
Ziel: Netto null für Kirchengebäude
Laut Monica Müller zielen die Motionäre auf die baldige CO2-Neutralität der kirchlichen Gebäude. Dafür sei das Zertifizierungsinstrument «Grüner Güggel» allerdings nicht wirksam genug ; dieser stellte es den Kirchgemeinden frei, wie rasch sie vorgehen wollten. «Mit der Freiheit des Grünen Güggels wird wohl nicht so schnell die notwendige CO2-Neutralität erreicht werden.»
Nach dem 13. Juni sei der Haltungswandel in den Kirchgemeinden prioritär voranzutreiben, sagte Monica Müller; er sei in ihrer DNA zu verankern. Der Kirchenrat solle Anreize schaffen, wie die Gemeinden «als Ganzes ein gemeinsames CO2-Ziel erreichen können». Mit der Zuweisung an ein Kirchenpflege-Ressort sollten «die Nachhaltigkeitsbestrebungen in den Kirchgemeinden umfassend und stetig vorangetrieben werden».
Mit dem Haltungswandel werde die Kirche in die Gesellschaft ausstrahlen, äusserte Monica Müller. Indem die Reformierten ihrer Pflicht zur Bewahrung der Schöpfung nachkämen, könnten sie in der Gesellschaft das dringend nötige Zeichen der Hoffnung setzen.
«Die Kirche kann es»: Alle Gemeinden gefordert
Die federführende Kirchenrätin Esther Straub bekräftigte den Willen der Exekutive, die Zertifizierung aller Kirchgemeinden mit dem Grünen Güggel anzustreben. Den Prozess dazu könne der Kirchenrat initiieren; die Synode habe endlich zu beschliessen. Zehn Gemeinden seien unterwegs oder bereits zertifiziert. «Es sollen aber alle Kirchgemeinden aufbrechen.» Die für 2022 geplanten Kirchenpflegetagungen in Kappel thematisieren Umweltfragen und die «Klimakatastrophe».
Straub verwies auf die Verabschiedung des Klimaartikels am Vortag im Kantonsrat, dem sie als SP-Vertreterin angehört. Sie zitierte aus dem Legislaturziel des Kirchenrats: «Die Vielfalt des Lebens und die Überlebensfähigkeit der Menschheit und ihrer Mitwelt sind in Frage gestellt – es besteht höchste Dringlichkeit für Massnahmen gegen den Klimawandel.» Am 13. Juni habe das CO2-Gesetz im Kanton Zürich 55 Prozent Ja-Stimmen erhalten. Nun sei zu zeigen: «Die Kirche kann es.» In der Versammlung wurde kein Antrag auf Nicht-Überweisung gestellt; somit war die Motion in geänderter Form ohne Abstimmung überwiesen.
«Bewahrung der Schöpfung» im Unterricht
Dass die «Bewahrung der Schöpfung» im kirchlichen Unterricht bereits eindrücklich thematisiert wird, legte der Kirchenrat in einer Postulatsanwort dar. Hans Guldenmann (Synodalverein) meldete Bedenken an mit dem Hinweis, es sei nicht klar, welcher Anteil des Klimawandels menschenverursacht sei. Manuel Amstutz von den Religiös-Sozialen ging darauf ans Rednerpult und meinte knapp, bei der nächsten Synodewahl in Guldenmanns Bezirk könne darauf reagiert werden …
Drei weitere Fusionen
Am Nachmittag genehmigte die Synode in der per Livestream übertragenen Sitzung drei Fusionen von Kirchgemeinden auf Neujahr 2022. Aus den fünf Dorfgemeinden Benken, Marthalen, Ossingen, Rheinau-Ellikon und Trüllikon-Truttikon entsteht die Gemeinde «Weinland Mitte» mit 3’500 Mitgliedern. Im Knonauer Amt schliessen sich neun der dreizehn Kirchgemeinden mit insgesamt 12’000 Mitgliedern zusammen. Zwischen Zürich und Winterthur entsteht aus Bassersdorf-Nürensdorf, Brütten und Lindau die Kirchgemeinde Breite (8’000 Mitglieder). Bei allen Fusionen wurde der Bedarf weiterer Beratung durch die Landeskirche für das weitere Zusammenwachsen hervorgehoben.
Die zuständige Kirchenrätin Margrit Hugentobler erwähnte den ursprünglichen Wunsch der Weinländer Kirchgemeinden, ihre dörfliche Souveränität nicht aufzugeben. Der Pfarrkonvent sei bereits ein eingespieltes Team. Hugentobler empfahl Zustimmung, damit die Kirchgemeinden an einer zukunftsfähigen Kirche weiterbauen könnten. Ursula Sigg nahm die Situation von «kleinen und schwachen Gemeinden» in den Blick und sagte, sie wolle, wenn deren Bedürfnisse vernachlässigt würden, Fusionen nicht zustimmen.
Spannungsreicher Prozess im Knonauer Amt
Die Weinländer Fusion und jene in der Breite passierten ohne Gegenstimmen bei einigen Enthaltungen, nicht aber die Grossfusion von Aeugst a.A., Affoltern, Bonstetten, Hausen a.A., Maschwanden, Mettmenstetten, Ottenbach und Rifferswil. Neu sollen Kommissionen in jeder bisherigen Gemeinde und die bleibende lokale Zuständigkeit der Ortspfarrer, die in zwei Kreisen zusammenarbeiten, dem Gemeindeleben guttun, während Administratives zentral geleistet wird. Nachdem sehr viel Energie in den langen Prozess investiert worden sei, gelte es daran zu arbeiten, dass der Zusammenschluss zu einer Ermutigung für andere Gemeinden und Bezirke werde, sagte Marco Würgler. Er verhehlte nicht, dass diese Fusion der GPK am meisten Kopfzerbrechen bereitete.
Margrit Hugentobler erwähnte die Vielfalt der weitläufigen Gemeinde. Hannes Tanner, religiös-sozialer Synodaler aus dem Bezirk, erwähnte Ungereimtes und teilte mit, dass noch immer Wogen hochgehen. 74 Synodale befürworteten die Fusion; sechs stimmten dagegen und 18 enthielten sich.
Wenig Kritik, viel Lob
In der Messehalle 9 in Zürich-Oerlikon gingen die meisten Traktanden ohne eingehende oder kontroverse Diskussion über die Bühne. Kritisiert wurde der Kirchenrat für seinen Unwillen, jetzt schon eine gesamtkirchliche Lizenz für die Nutzung der von der St. Galler Kirche entwickelten Online-Plattform «Pfefferstern» zu lösen. Diese hilft Kirchgemeinden, ihre Angebote im Jugend- und Kinderbereich unter die Leute zu bringen. Zu reden gab, dass die Exekutive für die Erstellung ihres Berichts über «Neue Formen von Kirchgemeinschaften» ein drittes Jahr wünschte.
Den Jahresbericht 2020 nahm die Synode beinahe kritiklos ab. Kirchenratspräsident Michel Müller sprach von einem «verrückten Jahr». Brigitte Henggeler, die am Morgen zur neuen Präsidentin der GPK gewählt worden war, und die Mitglieder der Kommission lobten die farbige Broschüre. Das kirchliche Engagement gegen Vereinsamung in der Pandemie sei in der Öffentlichkeit bemerkt worden, meinte Jacqueline Sonego-Mettner. Die digitalen Angebote der Kirchgemeinden sind laut Matthias Reuter (rsf) weiterzuentwickeln. Jürg Fässler von der EKF hinterfragte Themen und das sprachliche Niveau von RefLab-Produktionen. Zum Rekordverlust von 9742 Mitgliedern ergriff kein Synodaler das Wort.
Nach dem Jahresbericht wandte sich die Versammlung unter Leitung von Simone Schädler der Jahresrechnung der Zentralkasse zu, die bei einem Ertrag von 104,3 Millionen Franken mit einem Überschuss von 4,8 Millionen Franken abschliesst (nochmals höhere Nettoeinnahmen, wegen Corona weniger Ausgaben). Die zuständige Kirchenrätin Katharina Kull äusserte, die Pandemie werde wohl die Steuereinnahmen 2021 sinken lassen. In der Rechnung eingeschlossen ist neu der Theologische Verlag Zürich. Michel Müller würdigte ihn als den einzigen derartigen reformierten Verlag in der Schweiz.
Feiern «nahe bei den Menschen»
Kirchenrat Andrea Bianca stellte eine Handreichung zu Kasualien vor, mit Empfehlungen für Feiern «nahe bei den Menschen». Zwar gebe es weniger Feiern, doch «wenn die Menschen sich melden, ist ihnen die Feier wichtig. Sie wollen mitgestalten, mitbestimmen, dass die Kirche eine Form annimmt, die ihrem Lebensstil und ihren Glaubensvorstellungen entspricht oder zumindest damit zu tun hat.» Es gelte, die Menschen «zu berühren und zu bewegen mit der Sprache, die sie sprechen, mit den Bildern, die sie brauchen». Die Handreichung wird laufend angepasst.