Die Initiative der Jungfreisinnigen zur Abschaffung der Kirchensteuer juristischer Personen tangiert das Wirken der Landeskirche im Kanton. Die Kirchensynode sieht aber davon ab, für die Volksabstimmung einen Gegenvorschlag anzustreben. An der Versammlung vom 12. März 2013 kamen auch die angestrebten Gemeindefusionen und der Zürcher Weg zum Reformations-Jubiläum zur Sprache.
Der Stadtzürcher Synodale Dominic Schelling regte mit einem Postulat einen „indirekten Gegenvorschlag“ zur Initiative der Jungfreisinnigen an: einen Sozialfonds, um dessen Mittel sich die Kirchen wie andere Organisationen bewerben könnten. Kirchenratspräsident Michel Müller lehnte dies ab. Es sei jetzt nicht Zeit für einen Gegenvorschlag. Die mit dem Kirchengesetz von 2010 eingerichtete Finanzierung landeskirchlicher Tätigkeiten für die Gesellschaft solle man nicht ändern, bevor sie sich überhaupt eingespielt habe. Die Initiative der Jungfreisinnigen nannte Müller eine Zwängerei.
Die Kirchensteuern der Firmen werden nach dem neuen Gesetz allein für Leistungen in den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur verwendet, die der gesamten Gesellschaft zugutekommen. Laut Michel Müller brauchen die Beziehungen zwischen Staat, Kirche und Wirtschaft Stabilität. Er kontrastierte die Zürcher Verhältnisse mit dem Kanton Genf, in dem die Kirche ohne Steuern auskommen und mit bloss 8000 Spendern einschneidend sparen muss, um ihre Kerntätigkeit aufrechtzuerhalten.
Wohlstand durch christliche Arbeitsethik
Die Fraktionssprecher der Kirchensynode lehnten das Postulat ebenfalls geschlossen ab. Willi Honegger, Präsident der Evangelisch-kirchlichen Fraktion, meinte, ein Sozialfonds würde zu einem „gigantischen Verteilkampf“ führen. Das Zürcher Stimmvolk solle sich in der Abstimmung zur Gesamtarbeit der Kirche in der Gesellschaft äussern und einen klaren Entscheid fällen. Ein Gegenvorschlag würde ihn verwässern. Firmen und Arbeitgeber profitierten „in hohem Mass von der über Jahrhunderte hinweg entstandenen protestantischen Arbeitsethik“, sagte Honegger. Er begrüsste, dass dies im Abstimmungskampf breit diskutiert werden könne. „Viele Menschen unserer Zeit wissen im Innersten um den grossen Beitrag der christlichen Tradition für die Bildung und Schärfung eines ethischen Gewissens.“ Die Sorge um den rasanten Verlust gesellschaftlicher Bindekräfte nehme zu. Da könne niemand im Ernst die demokratisch strukturierte Landeskirche schwächen wollen.
Thomas Maurer, Präsident der Liberalen Fraktion, äusserte, eine Annahme der Initiative hätte einen grossen Sozialabbau zur Folge. Was Freiwillige in der Kirche leisteten, sei unbezahlbar. Matthias Reuter von der Religiös-sozialen Fraktion rief dazu auf, die Initiative mit vereinten Kräften bachab zu schicken. Wilma Willi vom Synodalverein unterstrich, mit der aktuellen Finanzierung sei grösstmögliche Transparenz garantiert. Die Überweisung des Postulats wurde von der Kirchensynode mit 109 zu 2 Stimmen abgelehnt.
Kirchgemeinden – wie gross?
Der Kirchenrat will die Mehrheit der Kirchgemeinden zur Fusion veranlassen – das Vorhaben ‚Kirchgemeinde plus‘ (KGP) wurde im Sommer 2012 publik. Der Fällander Synodale Huldrych Thomann, der bei der Beratung des Berichts im September schwere Bedenken geltend gemacht hatte, schob ein Postulat nach: Der Kirchenrat soll auf die „schematische Festlegung der ‚richtigen‘ Grösse einer Kirchgemeinde“ verzichten. Die Absicht des Kirchenrats, Prozesse einzuleiten, durch die die Zahl der Zürcher Kirchgemeinden „gegenüber heute auf die Hälfte bis einen Drittel reduziert“ wird, ist Thomann ein Dorn im Auge. Diese Vorgabe (Kirchgemeinden mit 5000+ Mitgliedern) werde nicht mehr hinterfragt und noch weniger diskutiert. Dadurch könnte ein Bruch „zwischen Volk und Apparat, zwischen Basis und Zentrale“ der Kirche auftreten. Daher begrüsse er die Regionalkonferenzen, die der Kirchenrat im Frühjahr durchführen will (vgl. die Statements zu KGP und das Gespräch mit Kirchenratspräsident Michel Müller).
In der Versammlung erklärte sich der Kirchenrat bereit, das Postulat entgegenzunehmen. Es solle im Rahmen der Berichterstattung zu KGP in der Kirchensynode beantwortet werden, sagte Präsident Michel Müller. Die Zahl 5‘000 stelle eine Arbeitshypothese dar, die es zu diskutieren gelte, und keine fixe Zielvorgabe. Thomann baue ohne Ursache ein „Schreckenszenario“ auf. Aus diesem Grund stimmten 48 Synodale gegen die Überweisung des Postulats, 56 dafür. Zu Beginn der Synodeversammlung hatte Michel Müller unterstrichen, dass „mit und ohne KGP gespart werden muss“. Nicht allein Kirchgemeinden hätten zu überlegen, wie sie mit anderen zusammenarbeiten wollten, sondern auch Landeskirchen. Die Zürcher Kirche trage für den schweizerischen Protestantismus grosse Verantwortung. Gerade in Zeiten zurückgehender Mittel „müsste in Innovation investiert werden“.
Mit den Reichen und Mächtigen im Boot?
Der Synodale und EKVZ-Präsident Karl Stengel kritisierte in einer persönlichen Erklärung, dass die Landeskirche im Januar den UBS-Verwaltungsratspräsidenten Axel Weber zu einer Veranstaltung eingeladen hatte. Die Kirche habe „offenkundig eine gewisse Schlagseite zu den Mächtigen und Reichen dieser Welt – eine seltsame Affinität“. Die Landeskirche beschädige damit ihre Glaubwürdigkeit, urteilte Stengel und fragte, warum nicht Unternehmer eingeladen worden seien, die bewusst nach christlichen Grundsätzen führen. Wenn man so weiter mache, könne man auch den Glencore-Chef Ivan Glasenberg und Daniel Vasella einladen…
Das Jubiläum und die Zukunft der Kirche
Wie gestaltet die Kirchensynode den Weg zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation mit? Die Aussprachesynode, die am 25. Juni (wie alle vier Jahre) durchgeführt wird, soll „einen substantiellen Beitrag zur Gestaltung der anstehenden Reformationsjubiläen in der Schweiz leisten“. Dieser Antrag des Büros der Kirchensynode zu einem Bericht der Kommission, die die Aussprache „perspektive kirche“ vorbereitet, wurde angenommen. Kommissionspräsident Matthias Rüsch dämpfte die Erwartungen. Wenn an dem Tag über „den Glauben und den Auftrag der Kirche in der heutigen Zeit“ gesprochen werde, sei nicht damit zu rechnen, „dass wir Geniales verabschieden, und dann ist die Kirche erneuert“. Die Synodalen werden den Tag an fünf Orten mit Morgengebet und Bibelarbeit beginnen und in Gruppen diskutieren, bevor sie nachmittags in Zürich weiterarbeiten und den Tag mit Abendmahlsvesper und Apéro beschliessen.
Synode als Instrument
Gleich doppelt war das Kirchenparlament mit sich selbst befasst. Ein Postulat, ebenfalls von Dominic Schelling eingereicht, zielte auf eine Kirchensynode ohne Pfarrerinnen und Pfarrer. Sie sollten nicht über ihre eigenen Anstellungsbedingungen bestimmen können, argumentierte der Höngger Synodale. Kirchenratspräsident Michel Müller erinnerte daran, dass die Kirchensynode von 1525 bis 1895 allein aus Pfarrern bestand. Die Frage wurde bei der Beratung der neuen Kirchenordnung 2009 eingehend erörtert. Sie hält fest, Pfarrpersonen und andere Angestellte der Kirche in jedem Wahlkreis nicht die Mehrheit der Synodalen stellen dürfen (Art. 210,3). Dies zu ändern, bestehe kein Anlass, sagte Müller. Auf die Erfahrung und das Wissen der Pfarrschaft zu verzichten, wäre unklug – und es gebe die Ausstandspflicht.
Eingehend diskutierte die Kirchensynode das Wahlverfahren. Sollen die Wahlzettel künftig die kirchlich-theologische Orientierung der Kandidierenden ausweisen? Dies schlug das Büro der Synode im Zug der Revision der Wahlverordnung vor, um mehr Transparenz zu schaffen und das Interesse an der Wahl zu erhöhen. Kirchenrat Daniel Reuter entgegnete, dass die Fraktionen ein parlamentarisches Instrument seien. Mit dieser Änderung würden sie politischen Parteien ähnlich gemacht. Vor einer Verpolitisierung der Kirchensynode warnte der Synodale Peter Müdespacher. Statt der bisherigen Persönlichkeitswahlen gäbe es Proporzwahlen mit entsprechendem Aufwand für die Fraktionen. Zudem wurde gefragt, wie sie mit ihren teils aufs 19. Jahrhundert zurückgehenden Namen in einem Wahlkampf punkten könnten. Willi Honegger mahnte, angesichts der Herausforderungen von ‚Kirchgemeinde plus‘ die Kräfte in den Regionen zu bündeln. Die Kirchensynode entschied, dass die Wahlzettel künftig lediglich angeben, ob es sich bei den Kandidierenden um bisherige Mitglieder handelt.
Wie viel Raum für neue Gemeindeformen?
An der Kirchensynode wurde eine Fresh expressions – Interpellation (fresh expressions of Church) eingereicht. 25 Synodale wollen vom Kirchenrat wissen, ob und wie er fresh expressions im Kanton fördern und die erforderliche theologische Debatte anstossen will. Die schriftliche Antwort wird im Sommer vorliegen und in der Synode erörtert werden können.
Kirchenratspräsident Michel Müller teilte mit, dass eine Petition mit 313 Unterschriften beim Kirchenrat eingereicht worden ist, die die Förderung kommunitären Lebens in Zürich mit einem Stadtkloster anregt. Die Kirchensynode tagte zum ersten Mal unter dem Vorsitz von Kurt Stäheli, Marthalen.