Verschliesst sich die Landeskirche in der Schwäche neuen Impulsen? Die Kirchensynode vom 24. März mochte Migrationskirchen keinen Weg zur Anerkennung eröffnen. Und die Mehrheit der Synodalen hat nichts dagegen, dass Pfarrer den Kirchenrat auch mit ihrer Zahl dominieren. Grossen Gemeinden soll ermöglicht werden, Parlamente einzurichten.

Anderswo werden Christen vertrieben und ermordet; so muteten einige Traktanden der Kirchensynode vom 24. März recht selbstbezogen an. Sorgfältig, ja mit Hingabe diskutierte sie Details ihrer eigenen Geschäftsordnung. Den Kontrapunkt setzte Kirchenratspräsident Michel Müller mit schrecklichen Fakten aus der Levante: Ende Februar wurden Christen aus 35 Dörfern an einem Euphrat-Zufluss vertrieben; viele kamen um, der Verbleib von 300 Geiseln ist ungewiss. „Die Verzweiflung ist gross.“

Kandidatur über dem Limit

Die Mitwirkung von Nicht-Theologen in der Leitung der Kirche ist einer der wichtigsten Impulse der Reformation für die Christenheit und die europäische Geschichte (Gewaltentrennung!). Und man könnte meinen, im säkularisierten Umfeld seien möglichst vielfältige Kompetenzen im Kirchenrat gefragt. Mit einer Kandidatur der religiös-sozialen Fraktion ist nun aber eine Pfarrermehrheit in Sicht. Damit würde die ungeschriebene Regel der Mehrheit von Nicht-Ordinierten ausser Kraft gesetzt (vgl. Hintergrund und Kommentar). Willi Honegger reichte daraufhin eine Motion ein: In der Kirchenordnung soll festgeschrieben werden, dass nicht mehr als drei Pfarrpersonen dem siebenköpfigen Rat angehören.

Pyrrhussieg für die Pfarrerkirche

Namens des Kirchenrats signalisierte Michel Müller Verständnis für das Anliegen, dass die Mehrheit nicht ein und demselben Berufsstand angehören soll. Thomas Grossenbacher von der liberalen Fraktion wies auf die Interessenkonflikte bei Fragen des Pfarramts hin. Huldrych Thomann fand, es gelte zu verhindern, „dass jene, die vom System abhängig sind, mit einer Mehrheit dieses System steuern“. Der Theologiestudent Manuel Amstutz von der religiös-sozialen Fraktion verstieg sich dagegen zur Behauptung, die Motion „diskriminiere Ordinierte“. Und Katja Vogel vom Synodalverein befand, der Vorstoss sei gegen die Kandidatur von Esther Straub gerichtet. Das oberflächliche Argument, das Kirchenparlament solle sich in der Auswahl nicht beschränken, gab den Ausschlag. Merkwürdigerweise stimmten die Fraktionen geschlossen wie selten: 39 Ja, 54 Nein, 5 Enthaltungen. Der Kirchenrat wird im kommenden September neu gewählt.

Kirchenparlament(e) ermöglichen

Die Stadtzürcher Reformierten haben im August 2014 den Weg zu einer Kirchgemeinde mit gegen 80‘000 (!) stimmberechtigten Mitgliedern freigemacht. Wie diese ihre (auch in kantonalen Gesetzen fixierten) Rechte werden wahrnehmen können, ist unklar, bis hin zur Frage, wie Pfarrer gewählt werden. Nicht abzusehen sind die langfristigen Folgen für Zusammenhalt und Engagement in den Quartieren. Die Verantwortlichen des Stadtverbands wollen um der Transparenz willen ein Kirchenparlament schaffen; es soll an die Stelle der 33 Kirchgemeindeversammlungen treten. Die Synodalen ermächtigten den Kirchenrat, beim Regierungsrat zu beantragen, im Kirchengesetz Parlamente für grosse Kirchgemeinden zu ermöglichen, hoffend, dass die Stadtkirche 2019 parlamentarisch funktionieren könne …

Der Kirchenrat spart und will Reserven anlegen

Im Dezember hatte die Kirchensynode, lange sorglos, angesichts der finanziellen Schieflage das Steuer herumgerissen und dem Kirchenrat eine pauschale Sparvorgabe von 4,5 Mio. Franken gemacht. Nun legte Finanzvorstand Fritz Oesch drei Ziele dar, die mittelfristig erreicht werden sollen: eine ausgeglichene Rechnung, ein verdoppeltes (!) Eigenkapital sowie ein für die Kirchgemeinden „massvoller“ Zentralkassenbeitragssatz. Gespart wird dieses Jahr eine Million Franken bei den Personalkosten, 400‘000 Fr. bei den Sachkosten und 800‘000 Fr. bei (Bau-)Beiträgen. In wenigen Wochen wird der Kirchenrat den Gemeinden mitteilen, ob und wie die Ergänzungspfarrstellen 2016-2020 besetzt werden.

Nette Worte, aber …

Vom Sparkurs sind auch die über 70 evangelischen Migrationskirchen im Kanton betroffen – globale Offenheit und Integrationsvisionen hin oder her. Können die fremdsprachigen Gemeinden ähnlich wie die drei Kirchgemeinschaften französischer, italienischer und spanischer Sprache rechtlich integriert und finanziell unterstützt werden? Theddy Probst hatte dies in einem Postulat angeregt. Er zeigte sich einerseits dankbar für die netten Worte in der Antwort des Kirchenrats und das Stadtzürcher Zentrum, in dem sich acht Migrationskirchen versammeln. Zuwandernde würden nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Landeskirche bereichern und beleben – wenn sie willkommen seien. Was die Landeskirche an Finanzen gebe, werde durch grosses ehrenamtliches Engagement multipliziert. Es gehe um ein „modernes Miteinander im globalisierten Zürich“.

… kein Willkomm für Migrationskirchen

Der Synode lag auch eine Motion vor, die diese Stossrichtung in der Kirchenordnung verankern wollte: die Anerkennung, welche die drei genannten Kirchgemeinschaften geniessen, weiteren Gemeinden von Migranten zu ermöglichen und Kriterien für „unterschiedliche Stufen der Zusammenarbeit“ zu schaffen. Karl Stengel warb für die Motion. Sie sei ein wichtiges Zeichen, „dass weitere Migrationsgemeinden in der Landeskirche willkommen sind“, ein Signal gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Für die Landeskirche sei dies eine Chance – und ein Test für ihre Glaubwürdigkeit. Die Motion ziele allein auf Voraussetzungen für eine Anerkennung; die Synode werde über jeden Antrag einzeln entscheiden.

Karl Stengel gehört der kantonalen Härtefallkommission an, die Gesuche von abgewiesenen Asylsuchenden und Sanspapiers behandelt. „Da stelle ich immer wieder fest, wie viele in solchen Migrationsgemeinden eine Heimat haben und sich so integrieren.“ Kirchenrat Andrea Bianca hielt dagegen: Man wolle die Beziehungen nicht verrechtlichen, sondern die Vernetzung fördern. Mit KirchGemeindePlus sei dies möglich. Darauf zog Stengel die Motion zurück und kommentierte wienerisch: „Es muss was gschehn, aber es darf nix passiern.“ – Davon dass die Kirche unter den Einheimischen ständig Mitglieder verliert, war im Rathaus nicht die Rede.

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