Ungleichzeitige Kirche

23. Mai 2017 – Viele Kirchgemeinden der Zürcher Landschaft wollen mit anderen nur zusammenarbeiten, nicht fusionieren. Dies hat die Vernehmlassung zu KirchGemeindePlus ergeben. Der Kirchenrat will für Zusammenarbeitsverträge Vorgaben machen und hat ein Moratorium für sie verordnet.

Die Kirchenpflegen von Gemeinden und Bezirken, Pfarr- und Diakonatskapitel wurden im zweiten Halbjahr 2016 gefragt, mit wem und wie sie künftig zusammengehen wollen. Der Kirchenrat hatte eine Karte mit noch 39 Gemeinden im Kanton gezeichnet. Am 22. Mai stellte er die Ergebnisse der Vernehmlassung zu KirchGemeindePlus vor und skizzierte, wie er weiter vorgehen will.

Der Kirchenrat sieht sich laut Vizepräsident Daniel Reuter in zwei zentralen Punkten bestätigt. «Erstens: Die Zukunft ist regional. Und zweitens: Mittelfristig sorgen Zusammenschlüsse für die geeignete Organisationsform für Kirchgemeinden, die vielfältig, profiliert und bei alledem nahe bei den Menschen sind.»

Vor den Medien hob der Kirchenrat hervor, dass fast alle Kirchgemeinden die Absicht haben, «in Zukunft intensiver übergemeindlich zusammenzuarbeiten». Laut Reuter ist damit klar, dass «regionales Denken und Handeln den Rahmen bilden, in dem sich die reformierte Kirche künftig entwickeln kann».

Zusammenarbeit vor Fusion

Von den 137 Kirchgemeinden ausserhalb der Stadt Zürich gaben 108 die vom Kirchenrat geforderte eindeutige Antwort zur Form des Zusammengehens. Von diesen 108 favorisierten 58 den Zusammenarbeitsvertrag, 46 den Zusammenschluss. Von den zur Zusammenarbeit bereiten Kirchgemeinden gaben 27 an, dass diese als Zwischenschritt zu einer späteren Fusion dienen kann.

In den Bemerkungen führten die Kirchenpflegen auf, was sie bei Fusionen befürchten: «Nähe, Identität, lokale Autonomie gehen verloren; durch professionalisierte und zentralisierte Verwaltung gibt es höhere Kosten; Einsprachemöglichkeiten … (werden) bei grösseren Gebilden kleiner; durch Professionalisierung und Verlust von Nähe kann Freiwilligenarbeit zurückgehen, Angebote werden abgebaut; … komplizierte Substrukturen und lange Entscheidungswege; Fusion alleine kann Mitgliederschwund nicht stoppen; Fusion kann nicht rückgängig gemacht werden …»

Kirchenratspräsident Michel Müller betonte vor den Medien die Vorteile von Zusammenschlüssen. Gemäss Auswertung erwarten die Befragten dauerhaft klare Verhältnisse und Planungssicherheit, auch eine nachhaltige Lösung für kleine Gemeinden. Man will die «Vielfalt an Angeboten vergrössern, Diversität der Mitglieder und Religiosität ermöglichen, Verwaltung zentralisieren und professionalisieren». Der Fusion neigen auch jene zu, die Zusammenarbeit als komplizierter ansehen (mehrere Kirchenpflegen, diverse Kommissionen).

«Sanftes Zusammenwachsen»

Die Auswertung verzeichnet die Pluspunkte, welche Kirchenpflegen in Zusammenarbeitsverträgen sehen, so ein «sanftes Zusammenwachsen» unter Erhalt der Gemeindeautonomie und die Förderung ehrenamtlichen Engagements, auch flexible Zusammenarbeit in den gewünschten Bereichen.

In ihren Bemerkungen wehrten sich diverse Kirchenpflegen gegen Druck «von oben»; Zusammenarbeitsprojekte und Fusionen sollten «von unten», von der Basis her wachsen. Zudem wurde vielfach bemängelt, dass inhaltliche Herausforderungen nicht im Fokus des Prozesses stehen.

Neben den Kirchenpflegen der Gemeinden äusserten sich auch Bezirkskirchenpflegen, zehn Pfarrkapitel und vier Diakonatskapitel. Die Bezirkskirchenpflegen favorisierten die Fusion, dagegen sprachen sich sieben von zehn Pfarrkapiteln gegen sie und für Zusammenarbeitsverträge aus.

Eile mit Weile

Der Zeitplan mit vier Zeitfenstern für Zusammenschlüsse (2017-2023) ist laut Bericht «für viele Kirchgemeinden zu strikt». Der Kirchenrat hält an ihm fest, im Sinn einer Empfehlung. Die Kirchensynode habe mit dem Rahmenkredit, aus dem bis 2023 Gelder beansprucht werden können, unterstrichen, dass der aufwendige Prozess auch einmal beendet sein muss, sagte Michel Müller. Doch Zusammenschlüsse werden auch nach 2023 möglich sein; die Kirchensynode könne für jene Zeit Beschlüsse fassen. Erneut sprach sich Müller für ein Handeln ohne Verzug aus: Vieles sei ab 2020 «nicht mehr sicher». Jetzt stünden noch Zeit und Mittel zur Verfügung.

«Mehr Sorge»

Der Kirchenratspräsident verhehlte die Ambivalenz der Ergebnisse nicht: «Wir haben mehr Sorge – wir wollen mehr Mut machen.» Der gemeinsame Lernweg müsse weitergegangen werden mit der Vision, territorial verfasste Gemeinden und «ergänzende, stärker auf die Beteiligung von Menschen ausgerichtete Formen und Orte von Kirche» aufeinander zu beziehen. Bei der Koordination der Projekte habe der Kirchenrat die Autonomie und zugleich die Solidarität der Kirchgemeinden im Blick: «Wie verhindern wir, dass jemand am Schluss im Stich gelassen wird?»

Zwischenschritte dürfen laut Michel Müller künftige Entwicklungen – sprich Zusammenschlüsse – nicht verbauen. Daher hat der Kirchenrat beschlossen, dass vorerst keine Zusammenarbeitsverträge bewilligt werden. Erst sollen in den nächsten Monaten Leitfäden und Hilfestellungen erarbeitet werden.

In seinem Bericht an die Kirchensynode zeigt der Kirchenrat die Marschrichtung auf. Er wird in Absprache mit den Kirchgemeinden Regionen für Zusammenarbeit und Zusammenschlüsse festlegen. Grössere Kirchgemeinden sollen bei der Pfarrstellenbemessung nicht benachteiligt werden. «Der Prozess soll in Zukunft offener gestaltet werden, indem der Kirchenrat künftig auch Zusammenarbeitsverträge unterstützen will, wo diese zweckmässig sind.» – Die Kirchensynode wird den Bericht Anfang Juli debattieren.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • […] Das Vorgehen des Kirchenrates brachte die Mehrheit der vorberatenden Synodekommission dazu, die ablehnende Kenntnisnahme des Berichts zu beantragen. Ihr Präsident Urs-Christoph Dieterle hielt die Hauptergebnisse der Vernehmlassung fest: Die vom Kirchenrat 2016 entworfene Übersichtskarte und sein Zeitplan (vier Zeitfenster für Fusionen 2017-23) wurden klar verworfen. Von 134 Kirchgemeinden ausserhalb der Stadt Zürich wollen 58 einen Zusammenarbeitsvertrag und bloss 46 einen Zusammenschluss anstreben – obwohl der Kirchenrat letzterem deutlich den Vorzug gab. (Mehr im Bericht von der Medienkonferenz des Kirchenrats.) […]

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