Zentralisieren oder Volkskirche stärken?

15. März 2021 – Der Kirchenrat will die Aufsicht über die Kirchgemeinden zentralisieren. Die Bezirkskirchenpflegen sollen abgeschafft werden. Für die Teilrevision der Kirchenordnung läuft bis Ende Mai eine Vernehmlassung. Die EKVZ ruft die Kirchenpflegen und die weiteren eingeladenen Gremien auf, die Vorlage genau zu prüfen und Einwände anzubringen.

Die Kirchenordnung soll an Entwicklungen in der Kirche angepasst werden. Im Wesentlichen will der Kirchenrat die Bezirkskirchenpflegen auflösen. Der weitere Abbau der Volkskirche ist mit einer Zentralisierung verbunden.

Was schlägt der Kirchenrat konkret vor?

  • Die kirchlichen Bezirke werden aufgehoben. Es soll ab 2024 keine Bezirkskirchenpflegen mehr geben. Synodewahlen finden in den Kantonsrats-Wahlkreisen statt.
  • Anstelle der Bezirkskirchenpflegen soll eine neue Kommission, deren Mitglieder der Kirchenrat vorschlägt und die Synode wählt, über alle Kirchgemeinden des Kantons  die allgemeine Aufsicht führen. Diese Aufsichtskommission arbeitet nach Vorgaben des Kirchenrats. Sie hat ein Fachsekretariat.
  • Für die Beobachtung und Begleitung des Gemeindelebens (Gottesdienste, Unterricht, Veranstaltungen) werden die Dekane neu in die Pflicht genommen, im Sinn einer «präventiven Aufsicht»; so können sie den Kirchenrat zeitig einschalten.
  • Die Kirchenpflegen müssen den Dekan, die Dekanin und die Aufsichtskommission über «wesentliche Gemeindeangelegenheiten» informieren (Art. 165).
  • Der Kirchenrat übernimmt selbst die Aufsicht über die Kirchgemeinden, «ihre Behörden und Organe sowie über die Gemeindepfarrämter und die Angestellten der Kirchgemeinden, soweit die Aufsicht nicht anderweitig wahrgenommen wird» (Art. 220).
  • Der Kirchenrat will selbst alle Kirchgemeinden «alle sechs bis acht Jahre» visitieren, um die Erfüllung des kirchlichen Auftrags zu überprüfen (Art. 221a).
  • Das Amt des Dekans wird verstärkt an den Kirchenrat gebunden. Dieser kann die Wahl «vom Nachweis der fachlichen und persönlichen Eignung abhängig machen» (Art 191; bisher wählt jedes Pfarrkapitel frei.)
  • Bei örtlichen Spannungen zwischen Pfarrern und Angestellten sollen die Dekane vermitteln und dafür den Kirchenrat beiziehen (Art. 192).
  • Eine kirchliche Ombudsstelle soll – trotz klar geäusserten Wünschen – nicht eingeführt werden. An ihrer Stelle soll die bestehende kantonale Ombudsstelle auch Konflikte in Kirchgemeinden bearbeiten.
  • Angesichts der Pandemie will der Kirchenrat für «besondere oder ausserordentliche Lagen» die Kompetenz, für maximal ein Jahr Verordnungen zu erlassen und Anordnungen zur Erhaltung des kirchlichen Lebens zu treffen.

Es wird deutlich, dass der Kirchenrat im Zuge dieser Teilrevision eine weitere Zentralisierung vornehmen will. Nicht nur will er starken Einfluss auf die Besetzung der Aufsichtskommission nehmen, sondern er schwächt damit auch das Milizsystem. Die kantonale Ombudsstelle mag professioneller agieren, doch ist sie weiter weg vom eigentlichen Geschehen als die Bezirkskirchenpflege, die die Gegebenheiten und Personen kennt, das Gespräch suchen und agil Wege zur Konfliktlösung finden kann.

Mit der Aufhebung der Bezirksebene wird die Subsidiarität, ein Grundsatz unserer Kirche (Art. 144) geschwächt. Der Kirchenrat räumt ein, dass bei der Professionalisierung keine Einsparungen zu erwarten sind. Vieles will er in Verordnungen regeln.

Eine gegenteilige Entwicklung wäre nötig: Es gilt, Kirchgemeinden zu stärken; dies bedeutet auch, das Milizsystem zu fördern. Statt Abbau wäre eine gezielte Förderung der stärker geforderten Bezirkskirchenpflegen wichtig. Schulungen in Mediation und Personalführung würden die Qualität ihrer Arbeit erhöhen.

Die reformierte Kirche ist eine Volkskirche. Sie entwickelt sich aber immer mehr zu einer zentral gesteuerten und von Fachpersonen geführten Kirche. Dadurch wird die Beteiligung abgebaut; die Kirche entfernt sich vom Volk. Wollen wir das? In der Vernehmlassung können wir unsere Meinung kundtun.

1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort

  • E. Walther
    22/03/2021 23:12

    Wir, die Präsidentinnen und Präsidenten der Bezirkskirchenpflegen, wurden vom Kirchenrat via Vernehmlassung über das Ansinnen informiert. Wir sind überrascht, zumal wir in den Findungsprozess in keiner Weise eingebunden waren. Ungewöhnlich und nicht nachvollziehbar. Wie auch immer, wir werden in aufeinander abgestimmter Weise Stellung dazu beziehen.

    Dies ist dringend geboten, insbesondere wenn man zurückblickt auf die ersten Auswertungen von KirchGemeindePlus (30.9.2020). Dort ist kein Wort davon zu lesen, dass die Bezirkskirchenpflegen überflüssig wären. Im Gegenteil: Es gelte «die bestehenden Gefässe (z.B. Pfarrkapitel, Bezirkskirchenpflege, Kirchenpflegeretraite) zu nutzen und ein gutes Partizipationsmanagement zu konzipieren». Der Kirchenrat unterstützt das in seiner Medienmitteilung vom 15.12.2020 und der Stellungnahme vom 2.12.2020.

    Zudem ist die Bezirkskirchenpflege wie jede Kirchenpflege vom Volk gewählt und besser legitimiert als eine reine Verwaltungsinstitution («Aufsichtskommission»). Wir meinen, dass unsere reformierte Kirche eine Glaubensgemeinschaft «von unten» ist und nichts Episkopales wie bei den Katholiken. Die Bezirkskirchenpflege ist institutionell wie menschlich näher beim lokalen Kirchenleben.

    Eberhard Walther, Präsident der Bezirkskirchenpflege Dielsdorf

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