Im Zürcher Oberland soll am Bettag 2018 im Rahmen des Reformationsjubiläums ein Kirchentag stattfinden. Am 16. März waren Vertreter aller Gemeinden der Region zu einem Impulsmorgen in Hinwil eingeladen. Der Kirchenhistoriker Peter Opitz stellte Ulrich Zwingli als Verkündiger und Reformator der Gemeinschaft vor, der Zürich den Weg in die Moderne wies.
Zwingli ist weder der heroische Krieger mit Bibel und Schwert des Wasserkirche-Denkmals noch der «Lebemann», als den ihn Redaktoren zeitgeistig stilisieren. Peter Opitz, Professor für neuere Kirchengeschichte an der Universität Zürich, sieht das Reformationsjubiläum als Gelegenheit, Mythen (etwa: zwinglianisches = freudloses Zürich) loszuwerden und die Anfänge der Reformierten Kirchen von der facettenreichen Person Zwinglis her differenziert zu betrachten. Zudem gelte es den Blick über die engen Schweizer Grenzen hinaus zu weiten: «Zwinglianismus ist eine globale Angelegenheit.» Dem Zürcher Reformator gereiche es zur Ehre, dass seine Nachfolger sich nicht nach seinem Namen nennen.
Gott und Gemeinschaft
In seinem pointierten Vortrag in Hinwil setzte Peter Opitz ein mit dem Gemeinschaftsbezug des Toggenburgers, der von einem Landwirt und Landammann abstammte. «Zwingli hatte die Eidgenossenschaft im Blick, für die Eidgenossen fühlte er sich verantwortlich.» Die Predigt sollte auf dem Marktplatz und im Rathaus wirken. Zwingli kämpfte gegen das unselige, verrohende Reislaufen und das Geschäft, das Aristokraten daraus machten. Der von Erasmus beeinflusste humanistische Gelehrte, nach einem Semester Theologie (!) zum Priester geweiht, kam nach Jahren in Glarus und Einsiedeln an Neujahr 1519 als Leutpriester ans Grossmünster. Am Herzen lag ihm die Wiederentdeckung des durch Traditionen verd(r)eckten reinen «Angesichts Christi». Statt Heiligenlegenden zu erzählen, begann er das Neue Testament fortlaufend auszulegen.
Die Zürcher horchten auf. Der Funke sprang. Zwingli gewann bald viele Anhänger. Der Zürcher Rat wies die Pfarrer schon 1520 an, «dass sie alle die heiligen Evangelien und der Apostel Epistel nach dem Geist Gottes und rechter göttlicher Schrift des Alten und Neuen Testaments predigen». Von Zwinglis Anhängern mit Fastenbrechen und anderen Tabubrüchen provoziert, liess der Rat 1523 zwei Disputationen abhalten. Weil niemand den Grossmünster-Pfarrer mit der Bibel widerlegte (das Kriterium des Rats), wurde als Ergebnis die Reformation beschlossen, die Messe abgeschafft: An Ostern 1525 fand der erste reformierte Abendmahlsgottesdienst statt.
Auf die grosse Bühne katapultiert
Peter Opitz warf weitere Schlaglichter auf jene unruhigen Jahre, in denen das Städtchen mit 5000 Einwohnern die Kühnheit zu einem eigenen Weg entwickelte, auf dem viele Orte südlich und nördlich des Rheins folgten. Schule und Sozialhilfe wurden öffentliche Aufgaben. Die 1525 gegründete Theologenschule Prophezey, mit Koryphäen wie Conrad Gessner ein Leuchtturm der Gelehrsamkeit, war der Vorgänger der Universität (1833). Christoph Froschauers Bibeln und Drucke fanden Leser in ganz Europa. Zu den Täufern gab sich Opitz (aus Zeitmangel) zurückhaltend: Ihre Anliegen und Vorgehensweisen seien nicht auf einen Nenner zu bringen.
Was ist Zwinglis Vermächtnis, was hat der «Pionier des weltweiten Protestantismus» der Nachwelt mitgegeben? Laut Peter Opitz verstand er Reformation als «Konzentration auf das Zentrum des Christus, auf Christus selber, über den wir Menschen nicht verfügen, auf den sich Christen aber ausrichten können und sollen». Zwingli sei es im Kern um die Reduktion auf das Elementare gegangen – dass Gott ernstgenommen und geehrt werde –, um das Christliche, ohne Verunreinigungen, ohne phantasievolle Zusätze (sola scriptura, die Schrift allein). 1525 schloss er eine Schrift mit der Bemerkung: «Alles was ich hier gesagt habe, habe ich zur Ehre Gottes, zum Nutzen der christlichen Gesellschaft und zum Besten der Gewissen gesagt.»
«Zusammen vorwärts gehen»
Nach dem feinen Zmorge-Buffet und dem anregenden Vortrag erörterten die 80 Vertreter der Oberländer Gemeinden, Reformierte und Freikirchler und einige Katholiken, an den Tischen anschliessend die Chancen des Reformationsjubiläums im Oberland, Umstände und Hindernisse. Der Hinwiler Dekan Matthias Walder, Leiter der Impulsgruppe, skizzierte die Stossrichtung: «Besinnung auf das Gemeinsame in Christus» – bei allen Differenzen, die es zwischen den Kirchen noch gibt. Dies sei wichtig für die Zukunft der Kirche in der Gesellschaft.
Hansjörg Kaufmann rief dazu auf, in den nächsten Monaten Nägel mit Köpfen zu machen und die Organisation anzupacken. Das Evangelium habe damals die Gesellschaft umgekrempelt und vermöge es auch heute zu bewirken. «Glauben wir das?» Die Gemeinden sind eingeladen, das Bettagswochenende 2018 zu reservieren und einen Beitrag zu budgetieren. Der Veranstaltungsort im Bezirk Hinwil steht noch nicht fest.